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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Klingeln hab ich nie gehört. Die hochgelahr-
te Frau v -- b -- hatte so wenig Herz herein
zu gehen, daß sie mich bat, ich möchte hören,
was sie wollte; und da ich vorgieng, hielt sie
mich zurück, weil sie nicht bleiben, nicht gehen
wollte. Da eben giengen die Glocken unserer
Kirche, und der Sturm, der noch nicht nach-
ließ, brachte sie uns so nahe, daß sie uns recht
ins Ohr schrien: Bedenke, Mensch, das
Ende!
Es war eben ein blühendes junges
Mädchen, die nur seit drey Tagen krank ge-
wesen, verschieden. Gott habe sie selig! Die
Frau v -- b -- that, ehe wir noch zu der Se-
ligen giengen, eben so feyerlich, als ihre Be-
schwörung war, Verzicht auf die Erscheinung
der Prophetin, als eines von den Todten, und
da wir voll von diesem Verzicht zur Seligen
kamen; so hab ich nie erfahren, wie die Con-
ferenz abgelaufen, und wie sie sich mit dem
Schutzgeist berathen? Gern wüßt' ich es jetzo.
Zu der Zeit hätt' ich es nicht tragen können.
Das bin ich überzeugt, hätte sie versprochen,
sie wäre gewiß gekommen, und wenn sie vom
lieben Gott selbst Urlaub bitten sollen! -- Es
wäre ja ohnedem nicht auf lange gewesen!
Rechter Hand ins weisse Cabinet. Jam-
mer und Schade! --

Die
F 2

Klingeln hab ich nie gehoͤrt. Die hochgelahr-
te Frau v — b — hatte ſo wenig Herz herein
zu gehen, daß ſie mich bat, ich moͤchte hoͤren,
was ſie wollte; und da ich vorgieng, hielt ſie
mich zuruͤck, weil ſie nicht bleiben, nicht gehen
wollte. Da eben giengen die Glocken unſerer
Kirche, und der Sturm, der noch nicht nach-
ließ, brachte ſie uns ſo nahe, daß ſie uns recht
ins Ohr ſchrien: Bedenke, Menſch, das
Ende!
Es war eben ein bluͤhendes junges
Maͤdchen, die nur ſeit drey Tagen krank ge-
weſen, verſchieden. Gott habe ſie ſelig! Die
Frau v — b — that, ehe wir noch zu der Se-
ligen giengen, eben ſo feyerlich, als ihre Be-
ſchwoͤrung war, Verzicht auf die Erſcheinung
der Prophetin, als eines von den Todten, und
da wir voll von dieſem Verzicht zur Seligen
kamen; ſo hab ich nie erfahren, wie die Con-
ferenz abgelaufen, und wie ſie ſich mit dem
Schutzgeiſt berathen? Gern wuͤßt’ ich es jetzo.
Zu der Zeit haͤtt’ ich es nicht tragen koͤnnen.
Das bin ich uͤberzeugt, haͤtte ſie verſprochen,
ſie waͤre gewiß gekommen, und wenn ſie vom
lieben Gott ſelbſt Urlaub bitten ſollen! — Es
waͤre ja ohnedem nicht auf lange geweſen!
Rechter Hand ins weiſſe Cabinet. Jam-
mer und Schade! —

Die
F 2
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[83/0089] Klingeln hab ich nie gehoͤrt. Die hochgelahr- te Frau v — b — hatte ſo wenig Herz herein zu gehen, daß ſie mich bat, ich moͤchte hoͤren, was ſie wollte; und da ich vorgieng, hielt ſie mich zuruͤck, weil ſie nicht bleiben, nicht gehen wollte. Da eben giengen die Glocken unſerer Kirche, und der Sturm, der noch nicht nach- ließ, brachte ſie uns ſo nahe, daß ſie uns recht ins Ohr ſchrien: Bedenke, Menſch, das Ende! Es war eben ein bluͤhendes junges Maͤdchen, die nur ſeit drey Tagen krank ge- weſen, verſchieden. Gott habe ſie ſelig! Die Frau v — b — that, ehe wir noch zu der Se- ligen giengen, eben ſo feyerlich, als ihre Be- ſchwoͤrung war, Verzicht auf die Erſcheinung der Prophetin, als eines von den Todten, und da wir voll von dieſem Verzicht zur Seligen kamen; ſo hab ich nie erfahren, wie die Con- ferenz abgelaufen, und wie ſie ſich mit dem Schutzgeiſt berathen? Gern wuͤßt’ ich es jetzo. Zu der Zeit haͤtt’ ich es nicht tragen koͤnnen. Das bin ich uͤberzeugt, haͤtte ſie verſprochen, ſie waͤre gewiß gekommen, und wenn ſie vom lieben Gott ſelbſt Urlaub bitten ſollen! — Es waͤre ja ohnedem nicht auf lange geweſen! Rechter Hand ins weiſſe Cabinet. Jam- mer und Schade! — Die F 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/89>, abgerufen am 21.11.2024.