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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Mein Vatee stritt, ohne eben darauf
auszugehen, Recht zu behalten. Jeder wird
seines Glaubens leben, war sein Glaube.
Meine Mutter pflegte zu sagen, er sey von
der streitenden, nicht aber von der triumphi-
renden Kirche.

Ich möchte wetten, er hätte gern einen
Ring getragen, wenn er nicht Pastor gewe-
sen. Herr v. G -- seliger gewiß nicht, um
wie viel nicht --

Mein Vater setzte nichts ins Spiel, was
er lieb hatte. Meine Mutter glaubte, man
könne seine Zuneigung zu allem Leblosen nicht
anders an den Tag legen, als wenn man es
an einen Ehrenort setzte. Selbst war sie für
Gewölbe, bis mein Vater sie davon, wie
vom Kreutzschlage, abbrachte. Mein Va-
ter brauchte alles, was er lieb hatte! Durchs
Aufbewahren, bemerkt' er, zerbricht alles
leichter. Peinlichkeit schadet überall. Wenn
man mit der Dose im Umgange ist, wird sie
zuletzt ganz dreist mit uns! und so bekannt,
daß sich keines vor einander scheut, weder ich
noch sie! Ist es nicht thöricht, sich Knoten
ins Schnupftuch machen, um sich an dies und
das zu erinnern?

Was
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Mein Vatee ſtritt, ohne eben darauf
auszugehen, Recht zu behalten. Jeder wird
ſeines Glaubens leben, war ſein Glaube.
Meine Mutter pflegte zu ſagen, er ſey von
der ſtreitenden, nicht aber von der triumphi-
renden Kirche.

Ich moͤchte wetten, er haͤtte gern einen
Ring getragen, wenn er nicht Paſtor gewe-
ſen. Herr v. G — ſeliger gewiß nicht, um
wie viel nicht —

Mein Vater ſetzte nichts ins Spiel, was
er lieb hatte. Meine Mutter glaubte, man
koͤnne ſeine Zuneigung zu allem Lebloſen nicht
anders an den Tag legen, als wenn man es
an einen Ehrenort ſetzte. Selbſt war ſie fuͤr
Gewoͤlbe, bis mein Vater ſie davon, wie
vom Kreutzſchlage, abbrachte. Mein Va-
ter brauchte alles, was er lieb hatte! Durchs
Aufbewahren, bemerkt’ er, zerbricht alles
leichter. Peinlichkeit ſchadet uͤberall. Wenn
man mit der Doſe im Umgange iſt, wird ſie
zuletzt ganz dreiſt mit uns! und ſo bekannt,
daß ſich keines vor einander ſcheut, weder ich
noch ſie! Iſt es nicht thoͤricht, ſich Knoten
ins Schnupftuch machen, um ſich an dies und
das zu erinnern?

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R r 3
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[629/0637] Mein Vatee ſtritt, ohne eben darauf auszugehen, Recht zu behalten. Jeder wird ſeines Glaubens leben, war ſein Glaube. Meine Mutter pflegte zu ſagen, er ſey von der ſtreitenden, nicht aber von der triumphi- renden Kirche. Ich moͤchte wetten, er haͤtte gern einen Ring getragen, wenn er nicht Paſtor gewe- ſen. Herr v. G — ſeliger gewiß nicht, um wie viel nicht — Mein Vater ſetzte nichts ins Spiel, was er lieb hatte. Meine Mutter glaubte, man koͤnne ſeine Zuneigung zu allem Lebloſen nicht anders an den Tag legen, als wenn man es an einen Ehrenort ſetzte. Selbſt war ſie fuͤr Gewoͤlbe, bis mein Vater ſie davon, wie vom Kreutzſchlage, abbrachte. Mein Va- ter brauchte alles, was er lieb hatte! Durchs Aufbewahren, bemerkt’ er, zerbricht alles leichter. Peinlichkeit ſchadet uͤberall. Wenn man mit der Doſe im Umgange iſt, wird ſie zuletzt ganz dreiſt mit uns! und ſo bekannt, daß ſich keines vor einander ſcheut, weder ich noch ſie! Iſt es nicht thoͤricht, ſich Knoten ins Schnupftuch machen, um ſich an dies und das zu erinnern? Was R r 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/637>, abgerufen am 18.05.2024.