nen Bruder, keine Schwester mehr haben würde! Warum, liebe Mutter? Unser Nachbar, und seine Frau haben sieben Söhne. Wir keinen, mein Kind! wenn du todt bist, keinen! Sag es Minen in meinem Na- men, keinen! "Auch in Vaters Namen? fragte Polt -- ich stand an über diese Frage. Ja! erwiedert ich, auch in Vaters Namen! Hab ich zu viel gesagt? Nein! liebes Weib, auch in meinem Namen! -- Meine Mut- ter hatte nur mich! -- Gottlob! daß sie dich behielt! sagt und schreibt Mine.
Mine wolte, daß ich Polten nach preußi- scher Manier begraben laßen solte; allein ich thats nicht, sondern lies ihn einen Morgen bey Sonnenaufgang begraben! Ich beglei- tete ihn mit einem meiner Freunde, den ich an diesen Ort bestimmt hatte. Sie weiß, wo er ruht, und noch heute hat sie Mutter- thränen auf sein Grab geweint! -- Weine nicht! Mine! -- Weine nicht! --
Gott was ist das Leben? --
Eben
nen Bruder, keine Schweſter mehr haben wuͤrde! Warum, liebe Mutter? Unſer Nachbar, und ſeine Frau haben ſieben Soͤhne. Wir keinen, mein Kind! wenn du todt biſt, keinen! Sag es Minen in meinem Na- men, keinen! „Auch in Vaters Namen? fragte Polt — ich ſtand an uͤber dieſe Frage. Ja! erwiedert ich, auch in Vaters Namen! Hab ich zu viel geſagt? Nein! liebes Weib, auch in meinem Namen! — Meine Mut- ter hatte nur mich! — Gottlob! daß ſie dich behielt! ſagt und ſchreibt Mine.
Mine wolte, daß ich Polten nach preußi- ſcher Manier begraben laßen ſolte; allein ich thats nicht, ſondern lies ihn einen Morgen bey Sonnenaufgang begraben! Ich beglei- tete ihn mit einem meiner Freunde, den ich an dieſen Ort beſtimmt hatte. Sie weiß, wo er ruht, und noch heute hat ſie Mutter- thraͤnen auf ſein Grab geweint! — Weine nicht! Mine! — Weine nicht! —
Gott was iſt das Leben? —
Eben
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nen Bruder, keine Schweſter mehr haben
wuͤrde! Warum, liebe Mutter? Unſer
Nachbar, und ſeine Frau haben ſieben Soͤhne.
Wir keinen, mein Kind! wenn du todt biſt,
keinen! Sag es Minen in meinem Na-
men, keinen! „Auch in Vaters Namen?
fragte Polt — ich ſtand an uͤber dieſe Frage.
Ja! erwiedert ich, auch in Vaters Namen!
Hab ich zu viel geſagt? Nein! liebes Weib,
auch in meinem Namen! — Meine Mut-
ter hatte nur mich! — Gottlob! daß ſie
dich behielt! ſagt und ſchreibt Mine.
Mine wolte, daß ich Polten nach preußi-
ſcher Manier begraben laßen ſolte; allein ich
thats nicht, ſondern lies ihn einen Morgen
bey Sonnenaufgang begraben! Ich beglei-
tete ihn mit einem meiner Freunde, den ich
an dieſen Ort beſtimmt hatte. Sie weiß,
wo er ruht, und noch heute hat ſie Mutter-
thraͤnen auf ſein Grab geweint! — Weine
nicht! Mine! — Weine nicht! —
Gott was iſt das Leben? —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/624>, abgerufen am 25.11.2024.
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