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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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daß sie gelebt haben. O selige Kürze der
Zeit, einziger lebendiger Trost, bey allen Lei-
den dieser Welt! die eben deretwegen zeitlich
und leicht sind! und doch schaffen sie eine
ewige und über alle maaßen wichtige Herr-
lichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das
Sichtbare sondern auf das Unsichtbare, nicht
auf den Leib, sondern auf die Seele, nicht
auf die Welt, sondern auf Gott, den Anfän-
ger und Vollender! den Höchsten! so wie der
Menschen Geist vielleicht der niedrigste
ist -- -- Es geht mit der Zeit so, wie mit
allem, was gut ist. Wir schätzen es nicht
eher, als bis wir es nicht mehr haben! --
Nichts ist weniger habhaft zu werden, als die
Zeit. Ich stelle mir vor, sie verwandelt sich
in Ewigkeit, so wie wir in Engel! Wer
kann alles begreifen, wie es zugeht! Ich
fürchte mich nicht, wenn diese Woche auftritt,
und mich einst vor jenem Richterstuhl zur Re-
chenschaft fordert, wo wir alle werden offen-
bar werden! an diesem Sonnabend der
Welt! Wer kann aber, Richter der Welt,
wer kann vor dir bestehen, du Herzenskündi-
ger! du Gedankenkenner! Barmherzigkeit
komme über mich, und über alle, die sich be-
mühen Barmherzigkeit zu üben und Gutes

zu

daß ſie gelebt haben. O ſelige Kuͤrze der
Zeit, einziger lebendiger Troſt, bey allen Lei-
den dieſer Welt! die eben deretwegen zeitlich
und leicht ſind! und doch ſchaffen ſie eine
ewige und uͤber alle maaßen wichtige Herr-
lichkeit, uns, die wir nicht ſehen auf das
Sichtbare ſondern auf das Unſichtbare, nicht
auf den Leib, ſondern auf die Seele, nicht
auf die Welt, ſondern auf Gott, den Anfaͤn-
ger und Vollender! den Hoͤchſten! ſo wie der
Menſchen Geiſt vielleicht der niedrigſte
iſt — — Es geht mit der Zeit ſo, wie mit
allem, was gut iſt. Wir ſchaͤtzen es nicht
eher, als bis wir es nicht mehr haben! —
Nichts iſt weniger habhaft zu werden, als die
Zeit. Ich ſtelle mir vor, ſie verwandelt ſich
in Ewigkeit, ſo wie wir in Engel! Wer
kann alles begreifen, wie es zugeht! Ich
fuͤrchte mich nicht, wenn dieſe Woche auftritt,
und mich einſt vor jenem Richterſtuhl zur Re-
chenſchaft fordert, wo wir alle werden offen-
bar werden! an dieſem Sonnabend der
Welt! Wer kann aber, Richter der Welt,
wer kann vor dir beſtehen, du Herzenskuͤndi-
ger! du Gedankenkenner! Barmherzigkeit
komme uͤber mich, und uͤber alle, die ſich be-
muͤhen Barmherzigkeit zu uͤben und Gutes

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[557/0567] daß ſie gelebt haben. O ſelige Kuͤrze der Zeit, einziger lebendiger Troſt, bey allen Lei- den dieſer Welt! die eben deretwegen zeitlich und leicht ſind! und doch ſchaffen ſie eine ewige und uͤber alle maaßen wichtige Herr- lichkeit, uns, die wir nicht ſehen auf das Sichtbare ſondern auf das Unſichtbare, nicht auf den Leib, ſondern auf die Seele, nicht auf die Welt, ſondern auf Gott, den Anfaͤn- ger und Vollender! den Hoͤchſten! ſo wie der Menſchen Geiſt vielleicht der niedrigſte iſt — — Es geht mit der Zeit ſo, wie mit allem, was gut iſt. Wir ſchaͤtzen es nicht eher, als bis wir es nicht mehr haben! — Nichts iſt weniger habhaft zu werden, als die Zeit. Ich ſtelle mir vor, ſie verwandelt ſich in Ewigkeit, ſo wie wir in Engel! Wer kann alles begreifen, wie es zugeht! Ich fuͤrchte mich nicht, wenn dieſe Woche auftritt, und mich einſt vor jenem Richterſtuhl zur Re- chenſchaft fordert, wo wir alle werden offen- bar werden! an dieſem Sonnabend der Welt! Wer kann aber, Richter der Welt, wer kann vor dir beſtehen, du Herzenskuͤndi- ger! du Gedankenkenner! Barmherzigkeit komme uͤber mich, und uͤber alle, die ſich be- muͤhen Barmherzigkeit zu uͤben und Gutes zu

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/567>, abgerufen am 22.05.2024.