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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Stelle getreuen schriftlichen Bericht erstattete.
Viel Anlage zum Garten; Bäume, und
Waßer, das die Bäume unvermerkt belausch-
te! Wie ich über dies alles frölich und
guter Dinge ward! Da stellt ich mir so
lebhaft vor, was da noch alles werden solte!
und das ist immer schöner, als was schon
da ist --

Zwey meiner Nachbaren waren Leute,
mit denen es der Mühe verlohnte umzuge-
hen. In Rücksicht der andern, die mich be-
grüßten, war mein Entschluß gefaßt, daß
es beym Begrüßen verbleiben solte. Einer
von den Auserwählten behauptete, noch nie
ein Glas Wein allein getrunken zu haben!
Ich weiß nicht, ob man ein besseres Zeugniß
eines guten Herzens für sich haben kann.
Der andere Auserwählte stritt sich mit einem
der blos Grußnachbaren, wegen der schlechten
Zeiten. Die Klagen über die schlechten Zei-
ten sind so alt, wie die Zeit, sagte der Aus-
erwählte, und der Grußnachbar fand, daß
dies nicht klapte, und fah es sogar als einen
Anstoß an. Es wurde nun zwar alles auf
eine Art beygelegt, daß niemand drüber aus
der Welt gieng. Wer solte aber denken,
daß der Grußnachbar bey einer Sache etwas

befrem-

Stelle getreuen ſchriftlichen Bericht erſtattete.
Viel Anlage zum Garten; Baͤume, und
Waßer, das die Baͤume unvermerkt belauſch-
te! Wie ich uͤber dies alles froͤlich und
guter Dinge ward! Da ſtellt ich mir ſo
lebhaft vor, was da noch alles werden ſolte!
und das iſt immer ſchoͤner, als was ſchon
da iſt —

Zwey meiner Nachbaren waren Leute,
mit denen es der Muͤhe verlohnte umzuge-
hen. In Ruͤckſicht der andern, die mich be-
gruͤßten, war mein Entſchluß gefaßt, daß
es beym Begruͤßen verbleiben ſolte. Einer
von den Auserwaͤhlten behauptete, noch nie
ein Glas Wein allein getrunken zu haben!
Ich weiß nicht, ob man ein beſſeres Zeugniß
eines guten Herzens fuͤr ſich haben kann.
Der andere Auserwaͤhlte ſtritt ſich mit einem
der blos Grußnachbaren, wegen der ſchlechten
Zeiten. Die Klagen uͤber die ſchlechten Zei-
ten ſind ſo alt, wie die Zeit, ſagte der Aus-
erwaͤhlte, und der Grußnachbar fand, daß
dies nicht klapte, und fah es ſogar als einen
Anſtoß an. Es wurde nun zwar alles auf
eine Art beygelegt, daß niemand druͤber aus
der Welt gieng. Wer ſolte aber denken,
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[514/0524] Stelle getreuen ſchriftlichen Bericht erſtattete. Viel Anlage zum Garten; Baͤume, und Waßer, das die Baͤume unvermerkt belauſch- te! Wie ich uͤber dies alles froͤlich und guter Dinge ward! Da ſtellt ich mir ſo lebhaft vor, was da noch alles werden ſolte! und das iſt immer ſchoͤner, als was ſchon da iſt — Zwey meiner Nachbaren waren Leute, mit denen es der Muͤhe verlohnte umzuge- hen. In Ruͤckſicht der andern, die mich be- gruͤßten, war mein Entſchluß gefaßt, daß es beym Begruͤßen verbleiben ſolte. Einer von den Auserwaͤhlten behauptete, noch nie ein Glas Wein allein getrunken zu haben! Ich weiß nicht, ob man ein beſſeres Zeugniß eines guten Herzens fuͤr ſich haben kann. Der andere Auserwaͤhlte ſtritt ſich mit einem der blos Grußnachbaren, wegen der ſchlechten Zeiten. Die Klagen uͤber die ſchlechten Zei- ten ſind ſo alt, wie die Zeit, ſagte der Aus- erwaͤhlte, und der Grußnachbar fand, daß dies nicht klapte, und fah es ſogar als einen Anſtoß an. Es wurde nun zwar alles auf eine Art beygelegt, daß niemand druͤber aus der Welt gieng. Wer ſolte aber denken, daß der Grußnachbar bey einer Sache etwas befrem-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/524>, abgerufen am 25.11.2024.