man noch die Gränzen seines Seyns kennt? Der Schein betrügt --
Er stammt von Melchisedech --
Der war ein König und Priester! -- --
Warum diese Ahnentafelunterredung, die das Alltägliche enthält? Sie hatte indessen die Folge, die ich meinen Lesern schuldig bin.
Frau v. W -- nahm mich bey der Hand, und zwar so, daß diese Art mir Bürge wurde: es sey wie es sey, sie sind Tinens, und Tine ist die ihre! -- Sie wußte nicht, wie sie es recht anfangen solte, und fieng endlich, nach- dem sie mich lange bey der Hand gehalten, allein, wie mich dünkt, viel zu ent- fernt, an: der Schleier der Bescheidenheit giebt jedem Gesichte, jeder Tugend einen grös- sern Werth!
Ja, Gnädige! Der Belag ist Tine! --
Da war sie wieder weiter zurück, wie zu- vor. Sie nahm mich aufs neue bey der Hand, und ohne daß sie blitzte, mein Schlag!
Gnädige! Sie wollen was sagen -- fra- gen! erwiederte sie.
Die Liebe, das einzige, was die Natur uns noch zurückgelaßen, solte freylich über
alle
man noch die Graͤnzen ſeines Seyns kennt? Der Schein betruͤgt —
Er ſtammt von Melchiſedech —
Der war ein Koͤnig und Prieſter! — —
Warum dieſe Ahnentafelunterredung, die das Alltaͤgliche enthaͤlt? Sie hatte indeſſen die Folge, die ich meinen Leſern ſchuldig bin.
Frau v. W — nahm mich bey der Hand, und zwar ſo, daß dieſe Art mir Buͤrge wurde: es ſey wie es ſey, ſie ſind Tinens, und Tine iſt die ihre! — Sie wußte nicht, wie ſie es recht anfangen ſolte, und fieng endlich, nach- dem ſie mich lange bey der Hand gehalten, allein, wie mich duͤnkt, viel zu ent- fernt, an: der Schleier der Beſcheidenheit giebt jedem Geſichte, jeder Tugend einen groͤſ- ſern Werth!
Ja, Gnaͤdige! Der Belag iſt Tine! —
Da war ſie wieder weiter zuruͤck, wie zu- vor. Sie nahm mich aufs neue bey der Hand, und ohne daß ſie blitzte, mein Schlag!
Gnaͤdige! Sie wollen was ſagen — fra- gen! erwiederte ſie.
Die Liebe, das einzige, was die Natur uns noch zuruͤckgelaßen, ſolte freylich uͤber
alle
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man noch die Graͤnzen ſeines Seyns kennt?
Der Schein betruͤgt —
Er ſtammt von Melchiſedech —
Der war ein Koͤnig und Prieſter! — —
Warum dieſe Ahnentafelunterredung, die
das Alltaͤgliche enthaͤlt? Sie hatte indeſſen
die Folge, die ich meinen Leſern ſchuldig
bin.
Frau v. W — nahm mich bey der Hand,
und zwar ſo, daß dieſe Art mir Buͤrge wurde:
es ſey wie es ſey, ſie ſind Tinens, und Tine
iſt die ihre! — Sie wußte nicht, wie ſie es
recht anfangen ſolte, und fieng endlich, nach-
dem ſie mich lange bey der Hand gehalten,
allein, wie mich duͤnkt, viel zu ent-
fernt, an: der Schleier der Beſcheidenheit
giebt jedem Geſichte, jeder Tugend einen groͤſ-
ſern Werth!
Ja, Gnaͤdige! Der Belag iſt Tine! —
Da war ſie wieder weiter zuruͤck, wie zu-
vor. Sie nahm mich aufs neue bey der
Hand, und ohne daß ſie blitzte, mein
Schlag!
Gnaͤdige! Sie wollen was ſagen — fra-
gen! erwiederte ſie.
Die Liebe, das einzige, was die Natur
uns noch zuruͤckgelaßen, ſolte freylich uͤber
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/503>, abgerufen am 25.11.2024.
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