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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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heißt, im Finstern. Licht ist Gesellschaft,
pflegte unser Seliger zu sagen, und
ich brenne selbst Licht in der Nacht, als
ob ichs besser wüßte, wie der liebe Gott,
der gewiß mehr Licht am ersten Tage
hätte schaffen können, wenn es gut ge-
wesen wäre. Bey weitem bin ich nicht,
was ich war. Eine Scheelsichtige bin ich!

Das Kind muß einen Namen haben!
Warum Winkelzüge? Freude an der Na-
tur ist das Probatum est eines guten
Gewissens. Eine feurige Kohlensamm-
lerin, eine Aufhetzerin, ist die Natur dem,
der es mit dem Gewissen verdorben hat.
Den Zorn kann man besprechen; allein
den Schmerz nicht.

Das Thränenschwere Veilchen gefällt
meinem Auge am meisten, weil sich gleich
und gleich gern gesellen, und wenn uns
beyden der Tropfen entblinkt, sehn wir
gen Himmel, der am besten weiß, was
uns nützet. Da zitterte gestern ein Tro-
pfen auf einem Vergißmeinnicht, und
der in meinem Auge bebte, eben so lange,
bis mein Auge zugleich mit diesem blau-
en Blümchen entbunden war, und beyde
Tropfen zusammenflossen zu den Füßen

des

heißt, im Finſtern. Licht iſt Geſellſchaft,
pflegte unſer Seliger zu ſagen, und
ich brenne ſelbſt Licht in der Nacht, als
ob ichs beſſer wuͤßte, wie der liebe Gott,
der gewiß mehr Licht am erſten Tage
haͤtte ſchaffen koͤnnen, wenn es gut ge-
weſen waͤre. Bey weitem bin ich nicht,
was ich war. Eine Scheelſichtige bin ich!

Das Kind muß einen Namen haben!
Warum Winkelzuͤge? Freude an der Na-
tur iſt das Probatum eſt eines guten
Gewiſſens. Eine feurige Kohlenſamm-
lerin, eine Aufhetzerin, iſt die Natur dem,
der es mit dem Gewiſſen verdorben hat.
Den Zorn kann man beſprechen; allein
den Schmerz nicht.

Das Thraͤnenſchwere Veilchen gefaͤllt
meinem Auge am meiſten, weil ſich gleich
und gleich gern geſellen, und wenn uns
beyden der Tropfen entblinkt, ſehn wir
gen Himmel, der am beſten weiß, was
uns nuͤtzet. Da zitterte geſtern ein Tro-
pfen auf einem Vergißmeinnicht, und
der in meinem Auge bebte, eben ſo lange,
bis mein Auge zugleich mit dieſem blau-
en Bluͤmchen entbunden war, und beyde
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des
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[44/0050] heißt, im Finſtern. Licht iſt Geſellſchaft, pflegte unſer Seliger zu ſagen, und ich brenne ſelbſt Licht in der Nacht, als ob ichs beſſer wuͤßte, wie der liebe Gott, der gewiß mehr Licht am erſten Tage haͤtte ſchaffen koͤnnen, wenn es gut ge- weſen waͤre. Bey weitem bin ich nicht, was ich war. Eine Scheelſichtige bin ich! Das Kind muß einen Namen haben! Warum Winkelzuͤge? Freude an der Na- tur iſt das Probatum eſt eines guten Gewiſſens. Eine feurige Kohlenſamm- lerin, eine Aufhetzerin, iſt die Natur dem, der es mit dem Gewiſſen verdorben hat. Den Zorn kann man beſprechen; allein den Schmerz nicht. Das Thraͤnenſchwere Veilchen gefaͤllt meinem Auge am meiſten, weil ſich gleich und gleich gern geſellen, und wenn uns beyden der Tropfen entblinkt, ſehn wir gen Himmel, der am beſten weiß, was uns nuͤtzet. Da zitterte geſtern ein Tro- pfen auf einem Vergißmeinnicht, und der in meinem Auge bebte, eben ſo lange, bis mein Auge zugleich mit dieſem blau- en Bluͤmchen entbunden war, und beyde Tropfen zuſammenfloſſen zu den Fuͤßen des

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/50>, abgerufen am 29.03.2024.