und für selbiges betet. Es rühret mich nicht mehr, wenn dieses kleine Gesträuch so rings um die priesterliche Linde steht, und mit deinem Geiste lispelt, oder wenn es vielmehr, nach rußischer Art, mit einem Gospodi pumilu sich bückt.
Wie schwer athme ich den Balsam des schönen Morgens ein! Ists mir doch nicht anders, als wenn ich Arzeney ein- nähme! Wie pflegte mich die Natur lieb zu haben! wie fest an sich zu drücken! -- Lieb hatt' ich sie wieder! ich weinte oft für Freuden in ihren mütterlichen Ar- men! O ich habe eine liebe gute Mutter verlohren! -- Wenn ich jezt etwas seh, ists alles ungerathen! eitel! Da ärgert mich der Baum, der gerade wachsen könnte, und aus Eitelkeit schief wird, um sich in dem kleinen Gewässer zu be- spiegeln, das in einiger Entfernung blin- ket -- und dort verdrießt mich das elen- de Kraut, das sich auf der stolz herausge- wachsenen Wurzel der Eiche niederläßt, und diesen edlen Baum chikanirt, wie oft der Pöbel große Männer.
Zwar lieb ich mich abzusondern; al- lein ich kann nicht ganz allein seyn! das
heißt,
und fuͤr ſelbiges betet. Es ruͤhret mich nicht mehr, wenn dieſes kleine Geſtraͤuch ſo rings um die prieſterliche Linde ſteht, und mit deinem Geiſte lispelt, oder wenn es vielmehr, nach rußiſcher Art, mit einem Gospodi pumilu ſich buͤckt.
Wie ſchwer athme ich den Balſam des ſchoͤnen Morgens ein! Iſts mir doch nicht anders, als wenn ich Arzeney ein- naͤhme! Wie pflegte mich die Natur lieb zu haben! wie feſt an ſich zu druͤcken! — Lieb hatt’ ich ſie wieder! ich weinte oft fuͤr Freuden in ihren muͤtterlichen Ar- men! O ich habe eine liebe gute Mutter verlohren! — Wenn ich jezt etwas ſeh, iſts alles ungerathen! eitel! Da aͤrgert mich der Baum, der gerade wachſen koͤnnte, und aus Eitelkeit ſchief wird, um ſich in dem kleinen Gewaͤſſer zu be- ſpiegeln, das in einiger Entfernung blin- ket — und dort verdrießt mich das elen- de Kraut, das ſich auf der ſtolz herausge- wachſenen Wurzel der Eiche niederlaͤßt, und dieſen edlen Baum chikanirt, wie oft der Poͤbel große Maͤnner.
Zwar lieb ich mich abzuſondern; al- lein ich kann nicht ganz allein ſeyn! das
heißt,
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und fuͤr ſelbiges betet. Es ruͤhret mich
nicht mehr, wenn dieſes kleine Geſtraͤuch
ſo rings um die prieſterliche Linde ſteht,
und mit deinem Geiſte lispelt, oder
wenn es vielmehr, nach rußiſcher Art,
mit einem Gospodi pumilu ſich buͤckt.
Wie ſchwer athme ich den Balſam
des ſchoͤnen Morgens ein! Iſts mir doch
nicht anders, als wenn ich Arzeney ein-
naͤhme! Wie pflegte mich die Natur lieb
zu haben! wie feſt an ſich zu druͤcken! —
Lieb hatt’ ich ſie wieder! ich weinte oft
fuͤr Freuden in ihren muͤtterlichen Ar-
men! O ich habe eine liebe gute Mutter
verlohren! — Wenn ich jezt etwas ſeh,
iſts alles ungerathen! eitel! Da aͤrgert
mich der Baum, der gerade wachſen
koͤnnte, und aus Eitelkeit ſchief wird,
um ſich in dem kleinen Gewaͤſſer zu be-
ſpiegeln, das in einiger Entfernung blin-
ket — und dort verdrießt mich das elen-
de Kraut, das ſich auf der ſtolz herausge-
wachſenen Wurzel der Eiche niederlaͤßt,
und dieſen edlen Baum chikanirt, wie
oft der Poͤbel große Maͤnner.
Zwar lieb ich mich abzuſondern; al-
lein ich kann nicht ganz allein ſeyn! das
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/49>, abgerufen am 24.11.2024.
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