Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

weniges nachgebe, und da er Festlichkeit
mit der Höflichkeit paarte, wie sie denn
sich gegen einander würklich verhalten, wie
Mann und Weib, so war es sehr natürlich,
daß er das Vermögen des reichen Junkers
in eine der Sache gemäße Erwägung zog.
Tinchens Freyer unterstützte den Mückenhel-
den mit Vermögen zu allerley Vergnügun-
gen, und dieser ihn mit Empfehlungen im vä-
terlichen Hause. So hoben sich die Brüche,
und selbst die gute Frau v. W -- war, wie
wir gehört haben, eben nicht wider diese
Heyrath --

Tinchen allein sahe die Sache von einer
ganz andern Seite an. Sie wolte nicht frem-
des Feuer auf einen Altar bringen, der ei-
nem unbekannten Liebhaber geweihet war,
und eben in dieser Rücksicht fielen ihr tausend
Dinge an ihrem Liebhaber auf, die andere
Leute nicht bemerkten. Selbst ihre feine Mut-
ter nicht. Die Liebe entschuldigt, die Ab-
neigung tadelt alles -- und wahrlich Tin-
chen hatte nicht Ursache, bey dieser Tadel-
sucht sich anzustrengen. Tinchens Werber,
Herr v. K --, damit ich den ersten Buch-
staben gebe, hatte sich nicht blos auf eine
schmucke Trine eingeschränkt, sondern auf

jedem
G g 5

weniges nachgebe, und da er Feſtlichkeit
mit der Hoͤflichkeit paarte, wie ſie denn
ſich gegen einander wuͤrklich verhalten, wie
Mann und Weib, ſo war es ſehr natuͤrlich,
daß er das Vermoͤgen des reichen Junkers
in eine der Sache gemaͤße Erwaͤgung zog.
Tinchens Freyer unterſtuͤtzte den Muͤckenhel-
den mit Vermoͤgen zu allerley Vergnuͤgun-
gen, und dieſer ihn mit Empfehlungen im vaͤ-
terlichen Hauſe. So hoben ſich die Bruͤche,
und ſelbſt die gute Frau v. W — war, wie
wir gehoͤrt haben, eben nicht wider dieſe
Heyrath —

Tinchen allein ſahe die Sache von einer
ganz andern Seite an. Sie wolte nicht frem-
des Feuer auf einen Altar bringen, der ei-
nem unbekannten Liebhaber geweihet war,
und eben in dieſer Ruͤckſicht fielen ihr tauſend
Dinge an ihrem Liebhaber auf, die andere
Leute nicht bemerkten. Selbſt ihre feine Mut-
ter nicht. Die Liebe entſchuldigt, die Ab-
neigung tadelt alles — und wahrlich Tin-
chen hatte nicht Urſache, bey dieſer Tadel-
ſucht ſich anzuſtrengen. Tinchens Werber,
Herr v. K —, damit ich den erſten Buch-
ſtaben gebe, hatte ſich nicht blos auf eine
ſchmucke Trine eingeſchraͤnkt, ſondern auf

jedem
G g 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0481" n="473"/>
weniges nachgebe, und da er Fe&#x017F;tlichkeit<lb/>
mit der Ho&#x0364;flichkeit paarte, wie &#x017F;ie denn<lb/>
&#x017F;ich gegen einander wu&#x0364;rklich verhalten, wie<lb/>
Mann und Weib, &#x017F;o war es &#x017F;ehr natu&#x0364;rlich,<lb/>
daß er das Vermo&#x0364;gen des reichen Junkers<lb/>
in eine der Sache gema&#x0364;ße Erwa&#x0364;gung zog.<lb/>
Tinchens Freyer unter&#x017F;tu&#x0364;tzte den Mu&#x0364;ckenhel-<lb/>
den mit Vermo&#x0364;gen zu allerley Vergnu&#x0364;gun-<lb/>
gen, und die&#x017F;er ihn mit Empfehlungen im va&#x0364;-<lb/>
terlichen Hau&#x017F;e. So hoben &#x017F;ich die Bru&#x0364;che,<lb/>
und &#x017F;elb&#x017F;t die gute Frau v. W &#x2014; war, wie<lb/>
wir geho&#x0364;rt haben, eben nicht wider die&#x017F;e<lb/>
Heyrath &#x2014;</p><lb/>
        <p>Tinchen allein &#x017F;ahe die Sache von einer<lb/>
ganz andern Seite an. Sie wolte nicht frem-<lb/>
des Feuer auf einen Altar bringen, der ei-<lb/>
nem unbekannten Liebhaber geweihet war,<lb/>
und eben in die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht fielen ihr tau&#x017F;end<lb/>
Dinge an ihrem Liebhaber auf, die andere<lb/>
Leute nicht bemerkten. Selb&#x017F;t ihre feine Mut-<lb/>
ter nicht. Die Liebe ent&#x017F;chuldigt, die Ab-<lb/>
neigung tadelt alles &#x2014; und wahrlich Tin-<lb/>
chen hatte nicht Ur&#x017F;ache, bey die&#x017F;er Tadel-<lb/>
&#x017F;ucht &#x017F;ich anzu&#x017F;trengen. Tinchens Werber,<lb/>
Herr v. K &#x2014;, damit ich den er&#x017F;ten Buch-<lb/>
&#x017F;taben gebe, hatte &#x017F;ich nicht blos auf eine<lb/>
&#x017F;chmucke Trine einge&#x017F;chra&#x0364;nkt, &#x017F;ondern auf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 5</fw><fw place="bottom" type="catch">jedem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473/0481] weniges nachgebe, und da er Feſtlichkeit mit der Hoͤflichkeit paarte, wie ſie denn ſich gegen einander wuͤrklich verhalten, wie Mann und Weib, ſo war es ſehr natuͤrlich, daß er das Vermoͤgen des reichen Junkers in eine der Sache gemaͤße Erwaͤgung zog. Tinchens Freyer unterſtuͤtzte den Muͤckenhel- den mit Vermoͤgen zu allerley Vergnuͤgun- gen, und dieſer ihn mit Empfehlungen im vaͤ- terlichen Hauſe. So hoben ſich die Bruͤche, und ſelbſt die gute Frau v. W — war, wie wir gehoͤrt haben, eben nicht wider dieſe Heyrath — Tinchen allein ſahe die Sache von einer ganz andern Seite an. Sie wolte nicht frem- des Feuer auf einen Altar bringen, der ei- nem unbekannten Liebhaber geweihet war, und eben in dieſer Ruͤckſicht fielen ihr tauſend Dinge an ihrem Liebhaber auf, die andere Leute nicht bemerkten. Selbſt ihre feine Mut- ter nicht. Die Liebe entſchuldigt, die Ab- neigung tadelt alles — und wahrlich Tin- chen hatte nicht Urſache, bey dieſer Tadel- ſucht ſich anzuſtrengen. Tinchens Werber, Herr v. K —, damit ich den erſten Buch- ſtaben gebe, hatte ſich nicht blos auf eine ſchmucke Trine eingeſchraͤnkt, ſondern auf jedem G g 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/481
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/481>, abgerufen am 18.05.2024.