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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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lich kam es zum Wortwechsel. Warum wol-
len Sie sich incommodiren? fieng er an, als
ob das Gebet eine Beschwerde wäre! als ob
es den Herrn v. W -- angienge. Ich lies
nicht nach und fand, daß Herr v. W --
durchs Gebet mit dem lieben Gott compli-
mentirte, und offenbar bewies, daß er das
Gespräch nicht angehört, welches zwischen
meinem Vater und dem Herrn v. G -- bey
der Ankunft in -- dem Hause des Herrn
v. G -- vorfiel.

Wir giengen in das Betzimmer, wo auch,
wenn das Wetter zu schlecht war, um in die
Kirche zu fahren, eine Predigt gelesen ward,
und Tinchen nahm mit einer Unschuld, die
über alles gieng, ein in schwarz Corduan ge-
bundenes Buch, und las ein Gebet mit einer
solchen Herzlichkeit, daß es mir durch die
Seele gieng! -- War es mir doch, als
wenn sie Gott sähe! Meine in Andacht trun-
kene Seele, fand in Tinchens Herzen, Mund
und Händen das ganze Ideal einer erhöhrten
Beterin!
Du weist, was uns bevorsteht, und
wir wissen, daß du unser Vater
bist! Vater, in deine Hände befeh-
len wir unsern Geist! -- Dein

Geist,
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lich kam es zum Wortwechſel. Warum wol-
len Sie ſich incommodiren? fieng er an, als
ob das Gebet eine Beſchwerde waͤre! als ob
es den Herrn v. W — angienge. Ich lies
nicht nach und fand, daß Herr v. W —
durchs Gebet mit dem lieben Gott compli-
mentirte, und offenbar bewies, daß er das
Geſpraͤch nicht angehoͤrt, welches zwiſchen
meinem Vater und dem Herrn v. G — bey
der Ankunft in — dem Hauſe des Herrn
v. G — vorfiel.

Wir giengen in das Betzimmer, wo auch,
wenn das Wetter zu ſchlecht war, um in die
Kirche zu fahren, eine Predigt geleſen ward,
und Tinchen nahm mit einer Unſchuld, die
uͤber alles gieng, ein in ſchwarz Corduan ge-
bundenes Buch, und las ein Gebet mit einer
ſolchen Herzlichkeit, daß es mir durch die
Seele gieng! — War es mir doch, als
wenn ſie Gott ſaͤhe! Meine in Andacht trun-
kene Seele, fand in Tinchens Herzen, Mund
und Haͤnden das ganze Ideal einer erhoͤhrten
Beterin!
Du weiſt, was uns bevorſteht, und
wir wiſſen, daß du unſer Vater
biſt! Vater, in deine Haͤnde befeh-
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Geiſt,
F f 3
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[453/0461] lich kam es zum Wortwechſel. Warum wol- len Sie ſich incommodiren? fieng er an, als ob das Gebet eine Beſchwerde waͤre! als ob es den Herrn v. W — angienge. Ich lies nicht nach und fand, daß Herr v. W — durchs Gebet mit dem lieben Gott compli- mentirte, und offenbar bewies, daß er das Geſpraͤch nicht angehoͤrt, welches zwiſchen meinem Vater und dem Herrn v. G — bey der Ankunft in — dem Hauſe des Herrn v. G — vorfiel. Wir giengen in das Betzimmer, wo auch, wenn das Wetter zu ſchlecht war, um in die Kirche zu fahren, eine Predigt geleſen ward, und Tinchen nahm mit einer Unſchuld, die uͤber alles gieng, ein in ſchwarz Corduan ge- bundenes Buch, und las ein Gebet mit einer ſolchen Herzlichkeit, daß es mir durch die Seele gieng! — War es mir doch, als wenn ſie Gott ſaͤhe! Meine in Andacht trun- kene Seele, fand in Tinchens Herzen, Mund und Haͤnden das ganze Ideal einer erhoͤhrten Beterin! Du weiſt, was uns bevorſteht, und wir wiſſen, daß du unſer Vater biſt! Vater, in deine Haͤnde befeh- len wir unſern Geiſt! — Dein Geiſt, F f 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/461>, abgerufen am 22.05.2024.