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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Mütterlich hat die Natur für uns gesorgt.
Wahrlich! Mütterlich! -- Die Hofnung ist
was Geistisches, was Unsichtbares. Sie ist
Geist vom Geist. Sie ist selbst ein Geist, der
uns lehret, weise zu leben und froh zu sterben.
Siehe! wenn der Körper stirbt, fängt ihr Le-
ben in Gott an! -- Man nehme dem Genuß
die Vorstellung, die Weise, alles was man
gern hat, sich weit vorzüglicher zu denken,
als es da ist, allem ein poetisches Kleid um-
zuhängen! -- Was ist denn der Genus?
Er ist nicht Aufhebens werth! -- --

Dies war unsere Unterredung beym
Scheiden. Hätte mir der Graf nicht mit
den Worten die Hand gedrückt: die bewuß-
ten Nachrichten;
wahrlich ich hätte glau-
ben müssen, es wären zwey Grafen! --
Was meint ihr, dem allem unerachtet, ein
weiß Federbüschchen kann man ihm verzei-
hen! -- Der Herr Inspektor sowohl, als
die Frau Inspektorin, schienen über unsere
letzte Unterredung sehr erbaut. Sie sahen
die Kronen Urnen werden, und die Urnen
wieder Kronen! Gretchen und den lieben Ih-
rigen war nichts neu! -- Minchens Ver-
wandte
in Mitau, vermied der Graf so
sorgfältig, daß kein Zweifel übrig ist, er sey

der
D d 5

Muͤtterlich hat die Natur fuͤr uns geſorgt.
Wahrlich! Muͤtterlich! — Die Hofnung iſt
was Geiſtiſches, was Unſichtbares. Sie iſt
Geiſt vom Geiſt. Sie iſt ſelbſt ein Geiſt, der
uns lehret, weiſe zu leben und froh zu ſterben.
Siehe! wenn der Koͤrper ſtirbt, faͤngt ihr Le-
ben in Gott an! — Man nehme dem Genuß
die Vorſtellung, die Weiſe, alles was man
gern hat, ſich weit vorzuͤglicher zu denken,
als es da iſt, allem ein poetiſches Kleid um-
zuhaͤngen! — Was iſt denn der Genus?
Er iſt nicht Aufhebens werth! — —

Dies war unſere Unterredung beym
Scheiden. Haͤtte mir der Graf nicht mit
den Worten die Hand gedruͤckt: die bewuß-
ten Nachrichten;
wahrlich ich haͤtte glau-
ben muͤſſen, es waͤren zwey Grafen! —
Was meint ihr, dem allem unerachtet, ein
weiß Federbuͤſchchen kann man ihm verzei-
hen! — Der Herr Inſpektor ſowohl, als
die Frau Inſpektorin, ſchienen uͤber unſere
letzte Unterredung ſehr erbaut. Sie ſahen
die Kronen Urnen werden, und die Urnen
wieder Kronen! Gretchen und den lieben Ih-
rigen war nichts neu! — Minchens Ver-
wandte
in Mitau, vermied der Graf ſo
ſorgfaͤltig, daß kein Zweifel uͤbrig iſt, er ſey

der
D d 5
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[425/0433] Muͤtterlich hat die Natur fuͤr uns geſorgt. Wahrlich! Muͤtterlich! — Die Hofnung iſt was Geiſtiſches, was Unſichtbares. Sie iſt Geiſt vom Geiſt. Sie iſt ſelbſt ein Geiſt, der uns lehret, weiſe zu leben und froh zu ſterben. Siehe! wenn der Koͤrper ſtirbt, faͤngt ihr Le- ben in Gott an! — Man nehme dem Genuß die Vorſtellung, die Weiſe, alles was man gern hat, ſich weit vorzuͤglicher zu denken, als es da iſt, allem ein poetiſches Kleid um- zuhaͤngen! — Was iſt denn der Genus? Er iſt nicht Aufhebens werth! — — Dies war unſere Unterredung beym Scheiden. Haͤtte mir der Graf nicht mit den Worten die Hand gedruͤckt: die bewuß- ten Nachrichten; wahrlich ich haͤtte glau- ben muͤſſen, es waͤren zwey Grafen! — Was meint ihr, dem allem unerachtet, ein weiß Federbuͤſchchen kann man ihm verzei- hen! — Der Herr Inſpektor ſowohl, als die Frau Inſpektorin, ſchienen uͤber unſere letzte Unterredung ſehr erbaut. Sie ſahen die Kronen Urnen werden, und die Urnen wieder Kronen! Gretchen und den lieben Ih- rigen war nichts neu! — Minchens Ver- wandte in Mitau, vermied der Graf ſo ſorgfaͤltig, daß kein Zweifel uͤbrig iſt, er ſey der D d 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/433>, abgerufen am 22.11.2024.