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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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indessen schlossen sie sich so fest an mich an,
als brauchten sie über alles, was sie wußten,
meine Bestätigung. Die mathemathische
Methode ist in der Philosophie abgekommen,
und ist die Mathematik heut zu Tage, da alles,
was nur einen halben Kopf hat, studirt, zum
Soldaten nöthiger, als Gesinnungen, als
Grundsätze? Wer kann denn den Franzosen
ihre Kriegskunst abstreiten? -- Bücher sind
nur ein Beweis für das, was in uns ist.
Ihr Geist giebt Zeugnis unserm Geist, daß
wir richtig wandlen. Wie leicht wird uns
manches durch Umgang, was im Buche so
schwerfällig war. Ueber den Fuß, auf den
ich mit diesen jungen Helden umgieng, waren
sie ausgelassen. Mich solt verlangen, fieng
der Eine an, was Er von meinem Aufsatz sa-
gen wird! -- ich durfte nur überall Natur
hineinbringen! Alles war schwer von Kunst
beschlagen. Ich brauchte nur den Kopf zu
schütteln und alles ward glatt ausgelöscht.
Gnade dem Gott, der sich unterstand, mir den
den Deutschen zu verargen! Die Rußen zie-
hen selten aus dem Kern etwas gros. Alles
wird mit der Wurzel verpflanzt! -- All mein
Lebtage denk ich an einen Vormittag, wo mei-
nes Vaters Geist auf mich fiel, und wo meine

beyden

indeſſen ſchloſſen ſie ſich ſo feſt an mich an,
als brauchten ſie uͤber alles, was ſie wußten,
meine Beſtaͤtigung. Die mathemathiſche
Methode iſt in der Philoſophie abgekommen,
und iſt die Mathematik heut zu Tage, da alles,
was nur einen halben Kopf hat, ſtudirt, zum
Soldaten noͤthiger, als Geſinnungen, als
Grundſaͤtze? Wer kann denn den Franzoſen
ihre Kriegskunſt abſtreiten? — Buͤcher ſind
nur ein Beweis fuͤr das, was in uns iſt.
Ihr Geiſt giebt Zeugnis unſerm Geiſt, daß
wir richtig wandlen. Wie leicht wird uns
manches durch Umgang, was im Buche ſo
ſchwerfaͤllig war. Ueber den Fuß, auf den
ich mit dieſen jungen Helden umgieng, waren
ſie ausgelaſſen. Mich ſolt verlangen, fieng
der Eine an, was Er von meinem Aufſatz ſa-
gen wird! — ich durfte nur uͤberall Natur
hineinbringen! Alles war ſchwer von Kunſt
beſchlagen. Ich brauchte nur den Kopf zu
ſchuͤtteln und alles ward glatt ausgeloͤſcht.
Gnade dem Gott, der ſich unterſtand, mir den
den Deutſchen zu verargen! Die Rußen zie-
hen ſelten aus dem Kern etwas gros. Alles
wird mit der Wurzel verpflanzt! — All mein
Lebtage denk ich an einen Vormittag, wo mei-
nes Vaters Geiſt auf mich fiel, und wo meine

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[346/0352] indeſſen ſchloſſen ſie ſich ſo feſt an mich an, als brauchten ſie uͤber alles, was ſie wußten, meine Beſtaͤtigung. Die mathemathiſche Methode iſt in der Philoſophie abgekommen, und iſt die Mathematik heut zu Tage, da alles, was nur einen halben Kopf hat, ſtudirt, zum Soldaten noͤthiger, als Geſinnungen, als Grundſaͤtze? Wer kann denn den Franzoſen ihre Kriegskunſt abſtreiten? — Buͤcher ſind nur ein Beweis fuͤr das, was in uns iſt. Ihr Geiſt giebt Zeugnis unſerm Geiſt, daß wir richtig wandlen. Wie leicht wird uns manches durch Umgang, was im Buche ſo ſchwerfaͤllig war. Ueber den Fuß, auf den ich mit dieſen jungen Helden umgieng, waren ſie ausgelaſſen. Mich ſolt verlangen, fieng der Eine an, was Er von meinem Aufſatz ſa- gen wird! — ich durfte nur uͤberall Natur hineinbringen! Alles war ſchwer von Kunſt beſchlagen. Ich brauchte nur den Kopf zu ſchuͤtteln und alles ward glatt ausgeloͤſcht. Gnade dem Gott, der ſich unterſtand, mir den den Deutſchen zu verargen! Die Rußen zie- hen ſelten aus dem Kern etwas gros. Alles wird mit der Wurzel verpflanzt! — All mein Lebtage denk ich an einen Vormittag, wo mei- nes Vaters Geiſt auf mich fiel, und wo meine beyden

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/352>, abgerufen am 22.11.2024.