Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

gerettet hätte. Edler Mensch, sagt' ihm der
Gerettete, was bin ich schuldig? -- Nichts,
erwiederte er. Ein Tuch wenigstens zum
Trocknen! Ich bin nie anders getrocknet,
als von der Sonne; so sey mein Freund! --
Hier lies sich der Retter bewegen, dem Ge-
retteten die Hand zu geben und ihm zu folgen.
Edler Mensch! wo gehst du hin?

Bey großen Handlungen ist kein Stand
merklich. Man sieht den Menschen nicht vor
der That. Jezt, da beyde unter Dach waren,
sah der Officier, daß die Seele seines Lebens-
verehrers weit über dessen Stand wäre! --
Der Gerettete lies auftragen, was das Haus
vermochte. Macht den Versuch, es kommt
nur auf euch an, wie ihr den gemeinen Mann
haben wolt. Ihr habt den Stimmhammer
zu seinen Gesinnungen in euren Händen! --

Der Officier so wenig zum Stimmen aufer-
legt, daß er bis auf eine sehr kleine Cultur tief
unter seinem Retter stand, verhielt sich herr-
lich zu ihm. Man aß und trank, und ward,
wie der Reuter sich ausdrückte, von innen so
naß wie von außen. In diesem ausgelasse-
nem Vergnügen nöthigte der Officier seinem
Erretter ein Versprechen ab, das so gleich
durch eine rothe Binde in Rechtskraft gesetzt

ward.
X 3

gerettet haͤtte. Edler Menſch, ſagt’ ihm der
Gerettete, was bin ich ſchuldig? — Nichts,
erwiederte er. Ein Tuch wenigſtens zum
Trocknen! Ich bin nie anders getrocknet,
als von der Sonne; ſo ſey mein Freund! —
Hier lies ſich der Retter bewegen, dem Ge-
retteten die Hand zu geben und ihm zu folgen.
Edler Menſch! wo gehſt du hin?

Bey großen Handlungen iſt kein Stand
merklich. Man ſieht den Menſchen nicht vor
der That. Jezt, da beyde unter Dach waren,
ſah der Officier, daß die Seele ſeines Lebens-
verehrers weit uͤber deſſen Stand waͤre! —
Der Gerettete lies auftragen, was das Haus
vermochte. Macht den Verſuch, es kommt
nur auf euch an, wie ihr den gemeinen Mann
haben wolt. Ihr habt den Stimmhammer
zu ſeinen Geſinnungen in euren Haͤnden! —

Der Officier ſo wenig zum Stimmen aufer-
legt, daß er bis auf eine ſehr kleine Cultur tief
unter ſeinem Retter ſtand, verhielt ſich herr-
lich zu ihm. Man aß und trank, und ward,
wie der Reuter ſich ausdruͤckte, von innen ſo
naß wie von außen. In dieſem ausgelaſſe-
nem Vergnuͤgen noͤthigte der Officier ſeinem
Erretter ein Verſprechen ab, das ſo gleich
durch eine rothe Binde in Rechtskraft geſetzt

ward.
X 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0331" n="325"/>
gerettet ha&#x0364;tte. Edler Men&#x017F;ch, &#x017F;agt&#x2019; ihm der<lb/>
Gerettete, was bin ich &#x017F;chuldig? &#x2014; Nichts,<lb/>
erwiederte er. Ein Tuch wenig&#x017F;tens zum<lb/>
Trocknen! Ich bin nie anders getrocknet,<lb/>
als von der Sonne; &#x017F;o &#x017F;ey mein Freund! &#x2014;<lb/>
Hier lies &#x017F;ich der Retter bewegen, dem Ge-<lb/>
retteten die Hand zu geben und ihm zu folgen.<lb/>
Edler Men&#x017F;ch! <hi rendition="#fr">wo geh&#x017F;t du hin?</hi></p><lb/>
        <p>Bey großen Handlungen i&#x017F;t kein Stand<lb/>
merklich. Man &#x017F;ieht den Men&#x017F;chen nicht vor<lb/>
der That. Jezt, da beyde unter Dach waren,<lb/>
&#x017F;ah der Officier, daß die Seele &#x017F;eines Lebens-<lb/>
verehrers weit u&#x0364;ber de&#x017F;&#x017F;en Stand wa&#x0364;re! &#x2014;<lb/>
Der Gerettete lies auftragen, was das Haus<lb/>
vermochte. Macht den Ver&#x017F;uch, es kommt<lb/>
nur auf euch an, wie ihr den gemeinen Mann<lb/>
haben wolt. Ihr habt den Stimmhammer<lb/>
zu &#x017F;einen Ge&#x017F;innungen in euren Ha&#x0364;nden! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der Officier &#x017F;o wenig zum Stimmen aufer-<lb/>
legt, daß er bis auf eine &#x017F;ehr kleine Cultur tief<lb/>
unter &#x017F;einem Retter &#x017F;tand, verhielt &#x017F;ich herr-<lb/>
lich zu ihm. Man aß und trank, und ward,<lb/>
wie der Reuter &#x017F;ich ausdru&#x0364;ckte, von innen &#x017F;o<lb/>
naß wie von außen. In die&#x017F;em ausgela&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nem Vergnu&#x0364;gen no&#x0364;thigte der Officier &#x017F;einem<lb/>
Erretter ein Ver&#x017F;prechen ab, das &#x017F;o gleich<lb/>
durch eine rothe Binde in Rechtskraft ge&#x017F;etzt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ward.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0331] gerettet haͤtte. Edler Menſch, ſagt’ ihm der Gerettete, was bin ich ſchuldig? — Nichts, erwiederte er. Ein Tuch wenigſtens zum Trocknen! Ich bin nie anders getrocknet, als von der Sonne; ſo ſey mein Freund! — Hier lies ſich der Retter bewegen, dem Ge- retteten die Hand zu geben und ihm zu folgen. Edler Menſch! wo gehſt du hin? Bey großen Handlungen iſt kein Stand merklich. Man ſieht den Menſchen nicht vor der That. Jezt, da beyde unter Dach waren, ſah der Officier, daß die Seele ſeines Lebens- verehrers weit uͤber deſſen Stand waͤre! — Der Gerettete lies auftragen, was das Haus vermochte. Macht den Verſuch, es kommt nur auf euch an, wie ihr den gemeinen Mann haben wolt. Ihr habt den Stimmhammer zu ſeinen Geſinnungen in euren Haͤnden! — Der Officier ſo wenig zum Stimmen aufer- legt, daß er bis auf eine ſehr kleine Cultur tief unter ſeinem Retter ſtand, verhielt ſich herr- lich zu ihm. Man aß und trank, und ward, wie der Reuter ſich ausdruͤckte, von innen ſo naß wie von außen. In dieſem ausgelaſſe- nem Vergnuͤgen noͤthigte der Officier ſeinem Erretter ein Verſprechen ab, das ſo gleich durch eine rothe Binde in Rechtskraft geſetzt ward. X 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/331
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/331>, abgerufen am 22.11.2024.