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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Geringste. -- Gegenseitige Gesinnungen
bey seinem Besten zu bemerken; mußte den
Erretter, den Erlöser des ganzen menschli-
chen Geschlechts, ganz natürlich zum Rück-
halt gegen diese seine sonst guten Freunde
bringen, welche die zwölf Stämme unter sich
theilten, und durchaus etwas vorstellen wol-
ten! -- War es Wunder? Wären wir in
allen ihren Umständen besser gewesen? Ich
glaub es nicht. Christus nahm sie also wie
Kinder, denen man durch Gleichnisse, durch
Erzählungen, auf den rechten Weg hilft,
und sagt, Freunde! wenn Christus in Cur-
land gewandelt hätte, wo doch alles von
Freyheit spricht, wär er nicht gekreuziget?
Sie, Pastor, sind eins mit mir. Was
würde nicht im despotischen, im monarchi-
schen Staate werden! Noch jetzt kann man
Christi Absicht, so klar sie gleich da liegt,
weder errathen, noch ertragen. Man hält
sie unmöglich. Was aber bey Menschen un-
möglich ist, ist es nicht bey Gott. Wie lang-
sam gehts mit der wahren Erkenntniß Got-
tes und mit der Tugendübung! Wahrlich
Christus leidet noch -- wie seine Worte ge-
kreuziget werden!



Getrost!

Geringſte. — Gegenſeitige Geſinnungen
bey ſeinem Beſten zu bemerken; mußte den
Erretter, den Erloͤſer des ganzen menſchli-
chen Geſchlechts, ganz natuͤrlich zum Ruͤck-
halt gegen dieſe ſeine ſonſt guten Freunde
bringen, welche die zwoͤlf Staͤmme unter ſich
theilten, und durchaus etwas vorſtellen wol-
ten! — War es Wunder? Waͤren wir in
allen ihren Umſtaͤnden beſſer geweſen? Ich
glaub es nicht. Chriſtus nahm ſie alſo wie
Kinder, denen man durch Gleichniſſe, durch
Erzaͤhlungen, auf den rechten Weg hilft,
und ſagt, Freunde! wenn Chriſtus in Cur-
land gewandelt haͤtte, wo doch alles von
Freyheit ſpricht, waͤr er nicht gekreuziget?
Sie, Paſtor, ſind eins mit mir. Was
wuͤrde nicht im deſpotiſchen, im monarchi-
ſchen Staate werden! Noch jetzt kann man
Chriſti Abſicht, ſo klar ſie gleich da liegt,
weder errathen, noch ertragen. Man haͤlt
ſie unmoͤglich. Was aber bey Menſchen un-
moͤglich iſt, iſt es nicht bey Gott. Wie lang-
ſam gehts mit der wahren Erkenntniß Got-
tes und mit der Tugenduͤbung! Wahrlich
Chriſtus leidet noch — wie ſeine Worte ge-
kreuziget werden!



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[240/0246] Geringſte. — Gegenſeitige Geſinnungen bey ſeinem Beſten zu bemerken; mußte den Erretter, den Erloͤſer des ganzen menſchli- chen Geſchlechts, ganz natuͤrlich zum Ruͤck- halt gegen dieſe ſeine ſonſt guten Freunde bringen, welche die zwoͤlf Staͤmme unter ſich theilten, und durchaus etwas vorſtellen wol- ten! — War es Wunder? Waͤren wir in allen ihren Umſtaͤnden beſſer geweſen? Ich glaub es nicht. Chriſtus nahm ſie alſo wie Kinder, denen man durch Gleichniſſe, durch Erzaͤhlungen, auf den rechten Weg hilft, und ſagt, Freunde! wenn Chriſtus in Cur- land gewandelt haͤtte, wo doch alles von Freyheit ſpricht, waͤr er nicht gekreuziget? Sie, Paſtor, ſind eins mit mir. Was wuͤrde nicht im deſpotiſchen, im monarchi- ſchen Staate werden! Noch jetzt kann man Chriſti Abſicht, ſo klar ſie gleich da liegt, weder errathen, noch ertragen. Man haͤlt ſie unmoͤglich. Was aber bey Menſchen un- moͤglich iſt, iſt es nicht bey Gott. Wie lang- ſam gehts mit der wahren Erkenntniß Got- tes und mit der Tugenduͤbung! Wahrlich Chriſtus leidet noch — wie ſeine Worte ge- kreuziget werden! Getroſt!

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/246>, abgerufen am 24.11.2024.