Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Lebensstunde gemacht, ich leide ihrethalber die
natürlichen Strafen. Ich sterbe ihretwegen
täglich und suche mir durch Bewegung und
ein Glas Wein die Gedanken zu vertreiben,
wenn sie mir ins Ohr raunen: du bist ein
Selbstdieb! Gottlob, ein Selbstmörder bin
ich nicht! -- Wer aber nie an sich selbst ge-
sündiget, der hebe den ersten Stein wider
mich! Ich bitte, den Herrn Generalsuperin-
tendent nicht ausgeschlossen, ich bitte! --

Gott sey mir Sünder gnädig! das
war so herzlich, als: Gott allein die Ehre!

Es giebt Seelen, die sich immer gleich,
und wie ein sanfter schöner Tag sind, wo es
immer scheint, es wolle die Sonne hervor,
es wolle regnen, und es regnet nicht und es
scheint nicht die Sonne! Ich habe auch der-
gleichen Tage gehabt. Man könnte sie heilige
Tage nennen, und den, der sie zu leben ver-
steht, einen der geheiliget ist! da komm ei-
nem, was da will, es regnet nicht, es scheint
nicht die Sonne. Die Empfindung, daß uns
alles, alles, zum besten dient, würkt so stark
auf unser Herz, daß wir innerlich und äußer-
lich ruhig sind! Da sieht man, so zu sagen,
in allem Gott den Herrn. Jaget nach der
Heiligung, sagt der Apostel, ohne welche

wird

Lebensſtunde gemacht, ich leide ihrethalber die
natuͤrlichen Strafen. Ich ſterbe ihretwegen
taͤglich und ſuche mir durch Bewegung und
ein Glas Wein die Gedanken zu vertreiben,
wenn ſie mir ins Ohr raunen: du biſt ein
Selbſtdieb! Gottlob, ein Selbſtmoͤrder bin
ich nicht! — Wer aber nie an ſich ſelbſt ge-
ſuͤndiget, der hebe den erſten Stein wider
mich! Ich bitte, den Herrn Generalſuperin-
tendent nicht ausgeſchloſſen, ich bitte! —

Gott ſey mir Suͤnder gnaͤdig! das
war ſo herzlich, als: Gott allein die Ehre!

Es giebt Seelen, die ſich immer gleich,
und wie ein ſanfter ſchoͤner Tag ſind, wo es
immer ſcheint, es wolle die Sonne hervor,
es wolle regnen, und es regnet nicht und es
ſcheint nicht die Sonne! Ich habe auch der-
gleichen Tage gehabt. Man koͤnnte ſie heilige
Tage nennen, und den, der ſie zu leben ver-
ſteht, einen der geheiliget iſt! da komm ei-
nem, was da will, es regnet nicht, es ſcheint
nicht die Sonne. Die Empfindung, daß uns
alles, alles, zum beſten dient, wuͤrkt ſo ſtark
auf unſer Herz, daß wir innerlich und aͤußer-
lich ruhig ſind! Da ſieht man, ſo zu ſagen,
in allem Gott den Herrn. Jaget nach der
Heiligung, ſagt der Apoſtel, ohne welche

wird
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="236"/>
Lebens&#x017F;tunde gemacht, ich leide ihrethalber die<lb/>
natu&#x0364;rlichen Strafen. Ich &#x017F;terbe ihretwegen<lb/>
ta&#x0364;glich und &#x017F;uche mir durch Bewegung und<lb/>
ein Glas Wein die Gedanken zu vertreiben,<lb/>
wenn &#x017F;ie mir ins Ohr raunen: du bi&#x017F;t ein<lb/>
Selb&#x017F;tdieb! Gottlob, ein Selb&#x017F;tmo&#x0364;rder bin<lb/>
ich nicht! &#x2014; Wer aber nie an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ndiget, der hebe den er&#x017F;ten Stein wider<lb/>
mich! Ich bitte, den Herrn General&#x017F;uperin-<lb/>
tendent nicht ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, ich bitte! &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Gott &#x017F;ey mir Su&#x0364;nder gna&#x0364;dig</hi>! das<lb/>
war &#x017F;o herzlich, als: <hi rendition="#fr">Gott allein die Ehre</hi>!</p><lb/>
        <p>Es giebt Seelen, die &#x017F;ich immer gleich,<lb/>
und wie ein &#x017F;anfter &#x017F;cho&#x0364;ner Tag &#x017F;ind, wo es<lb/>
immer &#x017F;cheint, es wolle die Sonne hervor,<lb/>
es wolle regnen, und es regnet nicht und es<lb/>
&#x017F;cheint nicht die Sonne! Ich habe auch der-<lb/>
gleichen Tage gehabt. Man ko&#x0364;nnte &#x017F;ie heilige<lb/>
Tage nennen, und den, der &#x017F;ie zu leben ver-<lb/>
&#x017F;teht, einen der geheiliget i&#x017F;t! da komm ei-<lb/>
nem, was da will, es regnet nicht, es &#x017F;cheint<lb/>
nicht die Sonne. Die Empfindung, daß uns<lb/>
alles, alles, zum be&#x017F;ten dient, wu&#x0364;rkt &#x017F;o &#x017F;tark<lb/>
auf un&#x017F;er Herz, daß wir innerlich und a&#x0364;ußer-<lb/>
lich ruhig &#x017F;ind! Da &#x017F;ieht man, &#x017F;o zu &#x017F;agen,<lb/>
in allem Gott den Herrn. Jaget nach der<lb/>
Heiligung, &#x017F;agt der Apo&#x017F;tel, ohne welche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0242] Lebensſtunde gemacht, ich leide ihrethalber die natuͤrlichen Strafen. Ich ſterbe ihretwegen taͤglich und ſuche mir durch Bewegung und ein Glas Wein die Gedanken zu vertreiben, wenn ſie mir ins Ohr raunen: du biſt ein Selbſtdieb! Gottlob, ein Selbſtmoͤrder bin ich nicht! — Wer aber nie an ſich ſelbſt ge- ſuͤndiget, der hebe den erſten Stein wider mich! Ich bitte, den Herrn Generalſuperin- tendent nicht ausgeſchloſſen, ich bitte! — Gott ſey mir Suͤnder gnaͤdig! das war ſo herzlich, als: Gott allein die Ehre! Es giebt Seelen, die ſich immer gleich, und wie ein ſanfter ſchoͤner Tag ſind, wo es immer ſcheint, es wolle die Sonne hervor, es wolle regnen, und es regnet nicht und es ſcheint nicht die Sonne! Ich habe auch der- gleichen Tage gehabt. Man koͤnnte ſie heilige Tage nennen, und den, der ſie zu leben ver- ſteht, einen der geheiliget iſt! da komm ei- nem, was da will, es regnet nicht, es ſcheint nicht die Sonne. Die Empfindung, daß uns alles, alles, zum beſten dient, wuͤrkt ſo ſtark auf unſer Herz, daß wir innerlich und aͤußer- lich ruhig ſind! Da ſieht man, ſo zu ſagen, in allem Gott den Herrn. Jaget nach der Heiligung, ſagt der Apoſtel, ohne welche wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/242
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/242>, abgerufen am 03.05.2024.