nen, was er erst nicht kannte, da er vor die- sem so in den Tag hinein lebte, Gott den Va- ter walten lies, das Maul aufsperrte, wenn es regnete, und den Apfel nicht eher aß, als bis er halb faul vom Baume sich herabschlich. Da lob ich mir ein Sprindt zu suchen und den Apfel herabzuhohlen, ehe er natürlichen Todes so alt und schwach stirbt, daß er in- wendig faul und auswendig zusammengefal- len ist. Freylich hätten die grenzstreitige Par- theyen sehr leicht aus einander kommen kön- nen, wenn sie so klug gewesen, nur ein Paar Schritte weiter zu gehen, wo sie eine weit vortreflichere Gegend, eine Gegend voll Le- ben, kennen gelernet, und wo sie, ohne sich zu nahe zu kommen, hinreichend entschädiget gewesen wären. Sie durften nicht nach Ame- rika! -- Mit dem rohen Adamsnaturstande ists indessen so eine Sache! Zu ein paar Schritten weiter, waren sie nicht zu bringen.
Der Stand der Sünde, der Stand, da aus Familien allmählig Staaten wurden, hat freylich sein vieles Böse an sich; indessen ist er doch auch auf der andern Seite nicht ohne sein vieles Gute. Der Staat ist würklich ein Baum des Erkenntnisses Gutes und Böses.
Der
nen, was er erſt nicht kannte, da er vor die- ſem ſo in den Tag hinein lebte, Gott den Va- ter walten lies, das Maul aufſperrte, wenn es regnete, und den Apfel nicht eher aß, als bis er halb faul vom Baume ſich herabſchlich. Da lob ich mir ein Sprindt zu ſuchen und den Apfel herabzuhohlen, ehe er natuͤrlichen Todes ſo alt und ſchwach ſtirbt, daß er in- wendig faul und auswendig zuſammengefal- len iſt. Freylich haͤtten die grenzſtreitige Par- theyen ſehr leicht aus einander kommen koͤn- nen, wenn ſie ſo klug geweſen, nur ein Paar Schritte weiter zu gehen, wo ſie eine weit vortreflichere Gegend, eine Gegend voll Le- ben, kennen gelernet, und wo ſie, ohne ſich zu nahe zu kommen, hinreichend entſchaͤdiget geweſen waͤren. Sie durften nicht nach Ame- rika! — Mit dem rohen Adamsnaturſtande iſts indeſſen ſo eine Sache! Zu ein paar Schritten weiter, waren ſie nicht zu bringen.
Der Stand der Suͤnde, der Stand, da aus Familien allmaͤhlig Staaten wurden, hat freylich ſein vieles Boͤſe an ſich; indeſſen iſt er doch auch auf der andern Seite nicht ohne ſein vieles Gute. Der Staat iſt wuͤrklich ein Baum des Erkenntniſſes Gutes und Boͤſes.
Der
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ſem ſo in den Tag hinein lebte, Gott den Va-
ter walten lies, das Maul aufſperrte, wenn
es regnete, und den Apfel nicht eher aß, als
bis er halb faul vom Baume ſich herabſchlich.
Da lob ich mir ein Sprindt zu ſuchen und
den Apfel herabzuhohlen, ehe er natuͤrlichen
Todes ſo alt und ſchwach ſtirbt, daß er in-
wendig faul und auswendig zuſammengefal-
len iſt. Freylich haͤtten die grenzſtreitige Par-
theyen ſehr leicht aus einander kommen koͤn-
nen, wenn ſie ſo klug geweſen, nur ein Paar
Schritte weiter zu gehen, wo ſie eine weit
vortreflichere Gegend, eine Gegend voll Le-
ben, kennen gelernet, und wo ſie, ohne ſich
zu nahe zu kommen, hinreichend entſchaͤdiget
geweſen waͤren. Sie durften nicht nach Ame-
rika! — Mit dem rohen Adamsnaturſtande
iſts indeſſen ſo eine Sache! Zu ein paar
Schritten weiter, waren ſie nicht zu bringen.
Der Stand der Suͤnde, der Stand, da
aus Familien allmaͤhlig Staaten wurden, hat
freylich ſein vieles Boͤſe an ſich; indeſſen iſt
er doch auch auf der andern Seite nicht ohne
ſein vieles Gute. Der Staat iſt wuͤrklich ein
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/222>, abgerufen am 23.11.2024.
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