gemacht ist, heißt: Gott seyn. Wie kann ein Endlicher dies wissen? dies fassen? Und würd' es ihm nützlich und selig seyn, zu wissen und zu fassen, wenn er es wissen und fassen könn- te? Wir sehen dies so leicht an, und es scheint würklich so; allein alles was recht schwer ist, sieht leicht auch -- Warum aber so weit hinaus? Gott weiß, ob der Mensch länger als zehntausend Jahr in seinem Kopf, in sei- nen Büchern, tragen und beherbergen kann? Er wird schwerlich selbst mehr Geschäfte fas- sen können. Wenn alsdann nicht ein seliger Kelch der Vergessenheit dem menschlichen Ge- schlechte gereicht wird, wie wird es aussehen? Die zehente Zahl ist die Zahl mit beyden Hän- den, die vollkommenste, sagt der Pastor! mit welchem Friede sey jezt und in Ewigkeit! Er ist ein guter Christ, und ein braver Mann, und wenn ich das erste weniger bin; so glaub ich doch ruhig und selig zu sterben, weil ich ihm im lezten keinen Tritt weiche --
Jezt sind dem Menschen Zurückgedanken allerdings noch zu gestatten; denn die Welt ist, nach Sethi Calvisii Calenderberechnung, eben aus ihren Jünglingsschuen. Daß sich der Mann verrechnet hat, ist durch mehr als
eine
gemacht iſt, heißt: Gott ſeyn. Wie kann ein Endlicher dies wiſſen? dies faſſen? Und wuͤrd’ es ihm nuͤtzlich und ſelig ſeyn, zu wiſſen und zu faſſen, wenn er es wiſſen und faſſen koͤnn- te? Wir ſehen dies ſo leicht an, und es ſcheint wuͤrklich ſo; allein alles was recht ſchwer iſt, ſieht leicht auch — Warum aber ſo weit hinaus? Gott weiß, ob der Menſch laͤnger als zehntauſend Jahr in ſeinem Kopf, in ſei- nen Buͤchern, tragen und beherbergen kann? Er wird ſchwerlich ſelbſt mehr Geſchaͤfte faſ- ſen koͤnnen. Wenn alsdann nicht ein ſeliger Kelch der Vergeſſenheit dem menſchlichen Ge- ſchlechte gereicht wird, wie wird es ausſehen? Die zehente Zahl iſt die Zahl mit beyden Haͤn- den, die vollkommenſte, ſagt der Paſtor! mit welchem Friede ſey jezt und in Ewigkeit! Er iſt ein guter Chriſt, und ein braver Mann, und wenn ich das erſte weniger bin; ſo glaub ich doch ruhig und ſelig zu ſterben, weil ich ihm im lezten keinen Tritt weiche —
Jezt ſind dem Menſchen Zuruͤckgedanken allerdings noch zu geſtatten; denn die Welt iſt, nach Sethi Calviſii Calenderberechnung, eben aus ihren Juͤnglingsſchuen. Daß ſich der Mann verrechnet hat, iſt durch mehr als
eine
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gemacht iſt, heißt: Gott ſeyn. Wie kann ein
Endlicher dies wiſſen? dies faſſen? Und wuͤrd’
es ihm nuͤtzlich und ſelig ſeyn, zu wiſſen und
zu faſſen, wenn er es wiſſen und faſſen koͤnn-
te? Wir ſehen dies ſo leicht an, und es ſcheint
wuͤrklich ſo; allein alles was recht ſchwer iſt,
ſieht leicht auch — Warum aber ſo weit
hinaus? Gott weiß, ob der Menſch laͤnger
als zehntauſend Jahr in ſeinem Kopf, in ſei-
nen Buͤchern, tragen und beherbergen kann?
Er wird ſchwerlich ſelbſt mehr Geſchaͤfte faſ-
ſen koͤnnen. Wenn alsdann nicht ein ſeliger
Kelch der Vergeſſenheit dem menſchlichen Ge-
ſchlechte gereicht wird, wie wird es ausſehen?
Die zehente Zahl iſt die Zahl mit beyden Haͤn-
den, die vollkommenſte, ſagt der Paſtor! mit
welchem Friede ſey jezt und in Ewigkeit! Er
iſt ein guter Chriſt, und ein braver Mann,
und wenn ich das erſte weniger bin; ſo glaub
ich doch ruhig und ſelig zu ſterben, weil ich
ihm im lezten keinen Tritt weiche —
Jezt ſind dem Menſchen Zuruͤckgedanken
allerdings noch zu geſtatten; denn die Welt
iſt, nach Sethi Calviſii Calenderberechnung,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/214>, abgerufen am 23.11.2024.
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