Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

zünden, der schon da ist. Jeder hat seinen
fertigen Wachsstock bey sich. Wie er gleich
lichterloh brennt!

Wenn ich nicht einmal weiß, wie ich in
Mutterleibe zum Menschen geronnen, wie ich
Ich geworden; wie kann ich wissen, wie die
Welt, wie Himmel und Erde entstanden, und
zum stehen und gehen gebracht sind?

Vom Pastor -- in -- hab ich viel ge-
lernt. Es ist zuweilen höchst nothwendig,
nicht übereinstimmend zu denken. Die Wahr-
heit hat keinen größern Feind, und keinen
größern Freund, als die Uebereinstimmung.
Es kommt nur auf Umstände an. Der älte-
ste von den Gottesmenschen, von den Gefühl-
anzündern, hat uns die Erschaffung der Welt
gemahlt. Ein schönes Stück! Die neuen
Mahler sind Klecker gegen ihn. Es hängt
vor meinen Augen zum ewigen Andenken das
Bild eines Mannes, der außer göttlicher
Kraft, viel Menschenkenntnis besaß, und sein
Volk von Grund aus kannte. So wie aber
die Mahler ihren Nahmen in einer Schatten-
stelle gewöhnlich anbringen; so auch er bey
dieser Schilderey! -- Das kann man ihm
lassen. Ich wenigstens stoße mich an dieser
Schattenstelle nicht. Wissen, wie die Welt

gemacht

zuͤnden, der ſchon da iſt. Jeder hat ſeinen
fertigen Wachsſtock bey ſich. Wie er gleich
lichterloh brennt!

Wenn ich nicht einmal weiß, wie ich in
Mutterleibe zum Menſchen geronnen, wie ich
Ich geworden; wie kann ich wiſſen, wie die
Welt, wie Himmel und Erde entſtanden, und
zum ſtehen und gehen gebracht ſind?

Vom Paſtor — in — hab ich viel ge-
lernt. Es iſt zuweilen hoͤchſt nothwendig,
nicht uͤbereinſtimmend zu denken. Die Wahr-
heit hat keinen groͤßern Feind, und keinen
groͤßern Freund, als die Uebereinſtimmung.
Es kommt nur auf Umſtaͤnde an. Der aͤlte-
ſte von den Gottesmenſchen, von den Gefuͤhl-
anzuͤndern, hat uns die Erſchaffung der Welt
gemahlt. Ein ſchoͤnes Stuͤck! Die neuen
Mahler ſind Klecker gegen ihn. Es haͤngt
vor meinen Augen zum ewigen Andenken das
Bild eines Mannes, der außer goͤttlicher
Kraft, viel Menſchenkenntnis beſaß, und ſein
Volk von Grund aus kannte. So wie aber
die Mahler ihren Nahmen in einer Schatten-
ſtelle gewoͤhnlich anbringen; ſo auch er bey
dieſer Schilderey! — Das kann man ihm
laſſen. Ich wenigſtens ſtoße mich an dieſer
Schattenſtelle nicht. Wiſſen, wie die Welt

gemacht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="207"/>
zu&#x0364;nden, der &#x017F;chon da i&#x017F;t. Jeder hat &#x017F;einen<lb/>
fertigen Wachs&#x017F;tock bey &#x017F;ich. Wie er gleich<lb/>
lichterloh brennt!</p><lb/>
        <p>Wenn ich nicht einmal weiß, wie ich in<lb/>
Mutterleibe zum Men&#x017F;chen geronnen, wie ich<lb/>
Ich geworden; wie kann ich wi&#x017F;&#x017F;en, wie die<lb/>
Welt, wie Himmel und Erde ent&#x017F;tanden, und<lb/>
zum &#x017F;tehen und gehen gebracht &#x017F;ind?</p><lb/>
        <p>Vom Pa&#x017F;tor &#x2014; in &#x2014; hab ich viel ge-<lb/>
lernt. Es i&#x017F;t zuweilen ho&#x0364;ch&#x017F;t nothwendig,<lb/>
nicht u&#x0364;berein&#x017F;timmend zu denken. Die Wahr-<lb/>
heit hat keinen gro&#x0364;ßern Feind, und keinen<lb/>
gro&#x0364;ßern Freund, als die Ueberein&#x017F;timmung.<lb/>
Es kommt nur auf Um&#x017F;ta&#x0364;nde an. Der a&#x0364;lte-<lb/>
&#x017F;te von den Gottesmen&#x017F;chen, von den Gefu&#x0364;hl-<lb/>
anzu&#x0364;ndern, hat uns die Er&#x017F;chaffung der Welt<lb/>
gemahlt. Ein &#x017F;cho&#x0364;nes Stu&#x0364;ck! Die neuen<lb/>
Mahler &#x017F;ind Klecker gegen ihn. Es ha&#x0364;ngt<lb/>
vor meinen Augen zum ewigen Andenken das<lb/>
Bild eines Mannes, der außer go&#x0364;ttlicher<lb/>
Kraft, viel Men&#x017F;chenkenntnis be&#x017F;aß, und &#x017F;ein<lb/>
Volk von Grund aus kannte. So wie aber<lb/>
die Mahler ihren Nahmen in einer Schatten-<lb/>
&#x017F;telle gewo&#x0364;hnlich anbringen; &#x017F;o auch er bey<lb/>
die&#x017F;er Schilderey! &#x2014; Das kann man ihm<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Ich wenig&#x017F;tens &#x017F;toße mich an die&#x017F;er<lb/>
Schatten&#x017F;telle nicht. Wi&#x017F;&#x017F;en, wie die Welt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gemacht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0213] zuͤnden, der ſchon da iſt. Jeder hat ſeinen fertigen Wachsſtock bey ſich. Wie er gleich lichterloh brennt! Wenn ich nicht einmal weiß, wie ich in Mutterleibe zum Menſchen geronnen, wie ich Ich geworden; wie kann ich wiſſen, wie die Welt, wie Himmel und Erde entſtanden, und zum ſtehen und gehen gebracht ſind? Vom Paſtor — in — hab ich viel ge- lernt. Es iſt zuweilen hoͤchſt nothwendig, nicht uͤbereinſtimmend zu denken. Die Wahr- heit hat keinen groͤßern Feind, und keinen groͤßern Freund, als die Uebereinſtimmung. Es kommt nur auf Umſtaͤnde an. Der aͤlte- ſte von den Gottesmenſchen, von den Gefuͤhl- anzuͤndern, hat uns die Erſchaffung der Welt gemahlt. Ein ſchoͤnes Stuͤck! Die neuen Mahler ſind Klecker gegen ihn. Es haͤngt vor meinen Augen zum ewigen Andenken das Bild eines Mannes, der außer goͤttlicher Kraft, viel Menſchenkenntnis beſaß, und ſein Volk von Grund aus kannte. So wie aber die Mahler ihren Nahmen in einer Schatten- ſtelle gewoͤhnlich anbringen; ſo auch er bey dieſer Schilderey! — Das kann man ihm laſſen. Ich wenigſtens ſtoße mich an dieſer Schattenſtelle nicht. Wiſſen, wie die Welt gemacht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/213
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/213>, abgerufen am 23.11.2024.