Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Verstand und der Wille eines einzelnen
Menschen scheinen nicht zuzureichen, ein voll-
ständiges menschliches Seyn auszudrücken.
Der Pluralis vom Verstand und Willen ist er-
forderlich, wenn der Mensch was auszurich-
ten im Stande seyn soll. Der Staat ist der
Mensch im Plurali. Im Plurali indessen
gilt aber das, was im Singulari gilt. Der
Staat ist der vollkommenste, der die meisten
Menschen hat, die wie Einer scheinen. Je
volkreicher Ein Land ist, je mehr scheint es
sich dieser Probe eines wohleingerichteten
Staats zu nähern. In Staaten, hab ich
gesagt, müssen auch die Gesetze aus der Natur
erklärt werden, fals sie nicht egyptische Pla-
gen seyn sollen, und wenn ich hinzufüge, daß
es Natur aus der ersten, und Natur aus der
zweyten Hand gebe; so hab ich mich näher
bestimmt. Im Naturstande, wo sich der
Mensch ganz allein denkt, im Paradiese, ist er
zwar ein Gott der Erde; allein so lang er so
denkt, wie Adam und die zeitigen Adamskin-
der, wird er gewis vom verbotenen Baum
essen, und bey der Mühe und Arbeit und dem
Schweiß seines Angesichts, mit dem er sein
Brod ißt, sich weniger bedauren, als in der
Einsamkeit, wo der Müßiggang ihm eigen ist:

wo
M 3

Der Verſtand und der Wille eines einzelnen
Menſchen ſcheinen nicht zuzureichen, ein voll-
ſtaͤndiges menſchliches Seyn auszudruͤcken.
Der Pluralis vom Verſtand und Willen iſt er-
forderlich, wenn der Menſch was auszurich-
ten im Stande ſeyn ſoll. Der Staat iſt der
Menſch im Plurali. Im Plurali indeſſen
gilt aber das, was im Singulari gilt. Der
Staat iſt der vollkommenſte, der die meiſten
Menſchen hat, die wie Einer ſcheinen. Je
volkreicher Ein Land iſt, je mehr ſcheint es
ſich dieſer Probe eines wohleingerichteten
Staats zu naͤhern. In Staaten, hab ich
geſagt, muͤſſen auch die Geſetze aus der Natur
erklaͤrt werden, fals ſie nicht egyptiſche Pla-
gen ſeyn ſollen, und wenn ich hinzufuͤge, daß
es Natur aus der erſten, und Natur aus der
zweyten Hand gebe; ſo hab ich mich naͤher
beſtimmt. Im Naturſtande, wo ſich der
Menſch ganz allein denkt, im Paradieſe, iſt er
zwar ein Gott der Erde; allein ſo lang er ſo
denkt, wie Adam und die zeitigen Adamskin-
der, wird er gewis vom verbotenen Baum
eſſen, und bey der Muͤhe und Arbeit und dem
Schweiß ſeines Angeſichts, mit dem er ſein
Brod ißt, ſich weniger bedauren, als in der
Einſamkeit, wo der Muͤßiggang ihm eigen iſt:

wo
M 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="181"/>
Der Ver&#x017F;tand und der Wille eines einzelnen<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;cheinen nicht zuzureichen, ein voll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndiges men&#x017F;chliches Seyn auszudru&#x0364;cken.<lb/>
Der Pluralis vom Ver&#x017F;tand und Willen i&#x017F;t er-<lb/>
forderlich, wenn der Men&#x017F;ch was auszurich-<lb/>
ten im Stande &#x017F;eyn &#x017F;oll. Der Staat i&#x017F;t der<lb/>
Men&#x017F;ch im Plurali. Im Plurali inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gilt aber das, was im Singulari gilt. Der<lb/>
Staat i&#x017F;t der vollkommen&#x017F;te, der die mei&#x017F;ten<lb/>
Men&#x017F;chen hat, die wie Einer &#x017F;cheinen. Je<lb/>
volkreicher Ein Land i&#x017F;t, je mehr &#x017F;cheint es<lb/>
&#x017F;ich die&#x017F;er Probe eines wohleingerichteten<lb/>
Staats zu na&#x0364;hern. In Staaten, hab ich<lb/>
ge&#x017F;agt, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch die Ge&#x017F;etze aus der Natur<lb/>
erkla&#x0364;rt werden, fals &#x017F;ie nicht egypti&#x017F;che Pla-<lb/>
gen &#x017F;eyn &#x017F;ollen, und wenn ich hinzufu&#x0364;ge, daß<lb/>
es Natur aus der er&#x017F;ten, und Natur aus der<lb/>
zweyten Hand gebe; &#x017F;o hab ich mich na&#x0364;her<lb/>
be&#x017F;timmt. Im Natur&#x017F;tande, wo &#x017F;ich der<lb/>
Men&#x017F;ch ganz allein denkt, im Paradie&#x017F;e, i&#x017F;t er<lb/>
zwar ein Gott der Erde; allein &#x017F;o lang er &#x017F;o<lb/>
denkt, wie Adam und die zeitigen Adamskin-<lb/>
der, wird er gewis vom verbotenen Baum<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en, und bey der Mu&#x0364;he und Arbeit und dem<lb/>
Schweiß &#x017F;eines Ange&#x017F;ichts, mit dem er &#x017F;ein<lb/>
Brod ißt, &#x017F;ich weniger bedauren, als in der<lb/>
Ein&#x017F;amkeit, wo der Mu&#x0364;ßiggang ihm eigen i&#x017F;t:<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wo</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0187] Der Verſtand und der Wille eines einzelnen Menſchen ſcheinen nicht zuzureichen, ein voll- ſtaͤndiges menſchliches Seyn auszudruͤcken. Der Pluralis vom Verſtand und Willen iſt er- forderlich, wenn der Menſch was auszurich- ten im Stande ſeyn ſoll. Der Staat iſt der Menſch im Plurali. Im Plurali indeſſen gilt aber das, was im Singulari gilt. Der Staat iſt der vollkommenſte, der die meiſten Menſchen hat, die wie Einer ſcheinen. Je volkreicher Ein Land iſt, je mehr ſcheint es ſich dieſer Probe eines wohleingerichteten Staats zu naͤhern. In Staaten, hab ich geſagt, muͤſſen auch die Geſetze aus der Natur erklaͤrt werden, fals ſie nicht egyptiſche Pla- gen ſeyn ſollen, und wenn ich hinzufuͤge, daß es Natur aus der erſten, und Natur aus der zweyten Hand gebe; ſo hab ich mich naͤher beſtimmt. Im Naturſtande, wo ſich der Menſch ganz allein denkt, im Paradieſe, iſt er zwar ein Gott der Erde; allein ſo lang er ſo denkt, wie Adam und die zeitigen Adamskin- der, wird er gewis vom verbotenen Baum eſſen, und bey der Muͤhe und Arbeit und dem Schweiß ſeines Angeſichts, mit dem er ſein Brod ißt, ſich weniger bedauren, als in der Einſamkeit, wo der Muͤßiggang ihm eigen iſt: wo M 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/187
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/187>, abgerufen am 01.05.2024.