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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Zu früh, sagte meine Mutter, ist eben
so zur Unzeit, als zu spät. Wer etwas zu
geschwind sagt, weiß es, und weiß es auch
nicht. Sie gieng zwar etwas schnell; allein
sie sprach so, wie man muß, nicht zu früh,
nicht zu spät. Sie hatte sehr was ver-
nehmliches in der Sprache, eine klingende
Stimme! --

Sie war sehr für rasche Pferde, und da
mein Vater gleicher Meynung war; so pflegte
sie oft, wenn sie mit ihren vier braunen fuh-
ren, zu sagen: Feurige Roß und Wagen.
Es kann seyn, daß sie, blos weil sie Dichte-
rin war, rasche Pferde geliebt; indessen er-
wehnte sie nie des Pegasus. --

Wer wird, sagte sie, einen Erzengel, Got-
tes würklich geheimten Staats- und Kriegs-
minister nennen? Kindliche Weisheit mit
Scholastik verkaufen? Wisset ihr nicht, daß
ein wenig Sauerteig das ganze Gebäcke ver-
säuret?

Sie glaubte sich, als Pastorin, würklich
im göttlichen Dienste. Die Schauspielerin
arbeitet so gut, als er. Eine Sängerin er-
hält oft ihren Mann. Eine Pastorin besorgt
den kleinen Dienst, sagte sie, um meinem
Vater zum Munde zu reden! --

Ein

Zu fruͤh, ſagte meine Mutter, iſt eben
ſo zur Unzeit, als zu ſpaͤt. Wer etwas zu
geſchwind ſagt, weiß es, und weiß es auch
nicht. Sie gieng zwar etwas ſchnell; allein
ſie ſprach ſo, wie man muß, nicht zu fruͤh,
nicht zu ſpaͤt. Sie hatte ſehr was ver-
nehmliches in der Sprache, eine klingende
Stimme! —

Sie war ſehr fuͤr raſche Pferde, und da
mein Vater gleicher Meynung war; ſo pflegte
ſie oft, wenn ſie mit ihren vier braunen fuh-
ren, zu ſagen: Feurige Roß und Wagen.
Es kann ſeyn, daß ſie, blos weil ſie Dichte-
rin war, raſche Pferde geliebt; indeſſen er-
wehnte ſie nie des Pegaſus. —

Wer wird, ſagte ſie, einen Erzengel, Got-
tes wuͤrklich geheimten Staats- und Kriegs-
miniſter nennen? Kindliche Weisheit mit
Scholaſtik verkaufen? Wiſſet ihr nicht, daß
ein wenig Sauerteig das ganze Gebaͤcke ver-
ſaͤuret?

Sie glaubte ſich, als Paſtorin, wuͤrklich
im goͤttlichen Dienſte. Die Schauſpielerin
arbeitet ſo gut, als er. Eine Saͤngerin er-
haͤlt oft ihren Mann. Eine Paſtorin beſorgt
den kleinen Dienſt, ſagte ſie, um meinem
Vater zum Munde zu reden! —

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[138/0144] Zu fruͤh, ſagte meine Mutter, iſt eben ſo zur Unzeit, als zu ſpaͤt. Wer etwas zu geſchwind ſagt, weiß es, und weiß es auch nicht. Sie gieng zwar etwas ſchnell; allein ſie ſprach ſo, wie man muß, nicht zu fruͤh, nicht zu ſpaͤt. Sie hatte ſehr was ver- nehmliches in der Sprache, eine klingende Stimme! — Sie war ſehr fuͤr raſche Pferde, und da mein Vater gleicher Meynung war; ſo pflegte ſie oft, wenn ſie mit ihren vier braunen fuh- ren, zu ſagen: Feurige Roß und Wagen. Es kann ſeyn, daß ſie, blos weil ſie Dichte- rin war, raſche Pferde geliebt; indeſſen er- wehnte ſie nie des Pegaſus. — Wer wird, ſagte ſie, einen Erzengel, Got- tes wuͤrklich geheimten Staats- und Kriegs- miniſter nennen? Kindliche Weisheit mit Scholaſtik verkaufen? Wiſſet ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig das ganze Gebaͤcke ver- ſaͤuret? Sie glaubte ſich, als Paſtorin, wuͤrklich im goͤttlichen Dienſte. Die Schauſpielerin arbeitet ſo gut, als er. Eine Saͤngerin er- haͤlt oft ihren Mann. Eine Paſtorin beſorgt den kleinen Dienſt, ſagte ſie, um meinem Vater zum Munde zu reden! — Ein

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/144>, abgerufen am 24.11.2024.