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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Die Wittwe mußte ihr verschiedenes aus
der Bibel lesen und aus dem Gesangbuch sin-
gen. Sie selbst sprach sehr unvernehmlich!
Die Angst, die sie stoßweise ausstand, war
groß! Das letzte Lied war:
Herr Gott dich loben wir,
Die letzte Strophe mußte die Pastorin vier-
mahl singen nach Zahl der letzten Dinge --

Behüt' uns heut, o treuer Gott,
Für aller Sünd und Missethat.
Sey uns gnädig, o Herre Gott!
Sey uns gnädig in aller Noth!
Zeig uns deine Barmherzigkeit,
Wie unsre Hofnung zu dir sieht.
Auf dich hoffen wir, o lieber Herr,
In Schanden laß uns nimmermehr!
Amen!
Auch im Grabe, sagte sie, nicht zu
Schanden!

Trinken können die Kranken länger, als
essen. Die letzte Zeit konnte sie, wie wir wis-
sen, keinen Ton angeben. Zuweilen schien
es, sie wollte; allein sie sahe sich verbunden,
ihre Seele in Geduld zu fassen und sich mit
Prosa zu behelfen.

Die Pastorin mußte den Vorhang am
Fenster, wo sie lag, mitten entzwey reissen!

So!

Die Wittwe mußte ihr verſchiedenes aus
der Bibel leſen und aus dem Geſangbuch ſin-
gen. Sie ſelbſt ſprach ſehr unvernehmlich!
Die Angſt, die ſie ſtoßweiſe ausſtand, war
groß! Das letzte Lied war:
Herr Gott dich loben wir,
Die letzte Strophe mußte die Paſtorin vier-
mahl ſingen nach Zahl der letzten Dinge —

Behuͤt’ uns heut, o treuer Gott,
Fuͤr aller Suͤnd und Miſſethat.
Sey uns gnaͤdig, o Herre Gott!
Sey uns gnaͤdig in aller Noth!
Zeig uns deine Barmherzigkeit,
Wie unſre Hofnung zu dir ſieht.
Auf dich hoffen wir, o lieber Herr,
In Schanden laß uns nimmermehr!
Amen!
Auch im Grabe, ſagte ſie, nicht zu
Schanden!

Trinken koͤnnen die Kranken laͤnger, als
eſſen. Die letzte Zeit konnte ſie, wie wir wiſ-
ſen, keinen Ton angeben. Zuweilen ſchien
es, ſie wollte; allein ſie ſahe ſich verbunden,
ihre Seele in Geduld zu faſſen und ſich mit
Proſa zu behelfen.

Die Paſtorin mußte den Vorhang am
Fenſter, wo ſie lag, mitten entzwey reiſſen!

So!
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[116/0122] Die Wittwe mußte ihr verſchiedenes aus der Bibel leſen und aus dem Geſangbuch ſin- gen. Sie ſelbſt ſprach ſehr unvernehmlich! Die Angſt, die ſie ſtoßweiſe ausſtand, war groß! Das letzte Lied war: Herr Gott dich loben wir, Die letzte Strophe mußte die Paſtorin vier- mahl ſingen nach Zahl der letzten Dinge — Behuͤt’ uns heut, o treuer Gott, Fuͤr aller Suͤnd und Miſſethat. Sey uns gnaͤdig, o Herre Gott! Sey uns gnaͤdig in aller Noth! Zeig uns deine Barmherzigkeit, Wie unſre Hofnung zu dir ſieht. Auf dich hoffen wir, o lieber Herr, In Schanden laß uns nimmermehr! Amen! Auch im Grabe, ſagte ſie, nicht zu Schanden! Trinken koͤnnen die Kranken laͤnger, als eſſen. Die letzte Zeit konnte ſie, wie wir wiſ- ſen, keinen Ton angeben. Zuweilen ſchien es, ſie wollte; allein ſie ſahe ſich verbunden, ihre Seele in Geduld zu faſſen und ſich mit Proſa zu behelfen. Die Paſtorin mußte den Vorhang am Fenſter, wo ſie lag, mitten entzwey reiſſen! So!

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/122>, abgerufen am 24.11.2024.