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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Schön, Freunde! wenn ihr das Seine
dem gebt, dem ihrs genommen, dem Nachbar
sein Waizenland, und der armen Priesterwitt-
we ihren Kohlgarten. Schön, wenn ihr dem
die landübliche Zinsen wegen des entbehrten
Niesbrauchs ersetzet, dem ihr den Niesbrauch
seines Ackers entzogen; habt ihr aber auch
die drey Lebensjahre erstattet, welche ihr die-
sem Armen durch eure Kränkungen entzoget?
die Sonne, die auf dieses Land sahe? den Re-
gen, der darauf fiel? -- Habt ihr dadurch
schon den in integrum restituirt, den ihr für
einen Weinsäufer, beißig, hartherzig ausgabt,
wenn ihr über viele Zeit, da er schon dieses
eures Todschlages halber in die Verwesung
übergegangen, eine Palinodie sanget und be-
hauptetet, er sey ein Waßermann, habe keine
Zornzähne, sey warmherzig; und wie man-
cher ist gar nicht mehr mit euch auf dem We-
ge, den ihr beleidiget habt! Wird der Mord,
den ihr an der Mutter verübtet, etwa nicht
gestrafet, wenn ihr ihrem Säuglinge eine Am-
me gebt? oder wenn ihr den Altar bekleidet,
oder dem Oberpastor einen Anthal vom besten
spendiret? Hat Christus, der Mund der
Wahrheit, etwa die Unwahrheit unter die
Christenleute gebracht: wenn er über jedes

un-

Schoͤn, Freunde! wenn ihr das Seine
dem gebt, dem ihrs genommen, dem Nachbar
ſein Waizenland, und der armen Prieſterwitt-
we ihren Kohlgarten. Schoͤn, wenn ihr dem
die landuͤbliche Zinſen wegen des entbehrten
Niesbrauchs erſetzet, dem ihr den Niesbrauch
ſeines Ackers entzogen; habt ihr aber auch
die drey Lebensjahre erſtattet, welche ihr die-
ſem Armen durch eure Kraͤnkungen entzoget?
die Sonne, die auf dieſes Land ſahe? den Re-
gen, der darauf fiel? — Habt ihr dadurch
ſchon den in integrum reſtituirt, den ihr fuͤr
einen Weinſaͤufer, beißig, hartherzig ausgabt,
wenn ihr uͤber viele Zeit, da er ſchon dieſes
eures Todſchlages halber in die Verweſung
uͤbergegangen, eine Palinodie ſanget und be-
hauptetet, er ſey ein Waßermann, habe keine
Zornzaͤhne, ſey warmherzig; und wie man-
cher iſt gar nicht mehr mit euch auf dem We-
ge, den ihr beleidiget habt! Wird der Mord,
den ihr an der Mutter veruͤbtet, etwa nicht
geſtrafet, wenn ihr ihrem Saͤuglinge eine Am-
me gebt? oder wenn ihr den Altar bekleidet,
oder dem Oberpaſtor einen Anthal vom beſten
ſpendiret? Hat Chriſtus, der Mund der
Wahrheit, etwa die Unwahrheit unter die
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[86/0092] Schoͤn, Freunde! wenn ihr das Seine dem gebt, dem ihrs genommen, dem Nachbar ſein Waizenland, und der armen Prieſterwitt- we ihren Kohlgarten. Schoͤn, wenn ihr dem die landuͤbliche Zinſen wegen des entbehrten Niesbrauchs erſetzet, dem ihr den Niesbrauch ſeines Ackers entzogen; habt ihr aber auch die drey Lebensjahre erſtattet, welche ihr die- ſem Armen durch eure Kraͤnkungen entzoget? die Sonne, die auf dieſes Land ſahe? den Re- gen, der darauf fiel? — Habt ihr dadurch ſchon den in integrum reſtituirt, den ihr fuͤr einen Weinſaͤufer, beißig, hartherzig ausgabt, wenn ihr uͤber viele Zeit, da er ſchon dieſes eures Todſchlages halber in die Verweſung uͤbergegangen, eine Palinodie ſanget und be- hauptetet, er ſey ein Waßermann, habe keine Zornzaͤhne, ſey warmherzig; und wie man- cher iſt gar nicht mehr mit euch auf dem We- ge, den ihr beleidiget habt! Wird der Mord, den ihr an der Mutter veruͤbtet, etwa nicht geſtrafet, wenn ihr ihrem Saͤuglinge eine Am- me gebt? oder wenn ihr den Altar bekleidet, oder dem Oberpaſtor einen Anthal vom beſten ſpendiret? Hat Chriſtus, der Mund der Wahrheit, etwa die Unwahrheit unter die Chriſtenleute gebracht: wenn er uͤber jedes un-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/92>, abgerufen am 23.11.2024.