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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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sagt' ich, da ich ihn sahe -- Du ruhiger
Mensch. Könnte seine Seele wohl in der
Hölle und Qual seyn, und sein bestes Leib-
stück, sein Kopf, so aussehen? Es wär' ihm,
solt ich denken, auf dem Hölle- und Quaal-
Fall gewis etwas vom Durst anzusehen, den
seine andre Helfte dort litte. Mein Vater
pflegte zu sagen: alles Paarweise, Seele
Mann, Körper Weib. W. Z. E. W. Meine
Mutter würde gesagt haben, Leib Weib --
ohne W. Z. E. W. Dies fiel mir ein, und
schnell dacht ich, ein gutes Weib! Sollte wohl
da oben übern Augen Etwas Menschenhaß
liegen? und der Gerntodt eben daher sein
schönes Feyerkleid her haben? und die Ent-
schlossenheit, auch ganz zur Erde zu werden,
daher kommen, um nur mit Menschen nicht
mehr zusammen zu seyn? -- Seht ihn recht
an, ich finde keine Schuld an ihm, und wenn
etwas Bitterkeit wider Priester und Leviten,
wie Unkraut unterm Waizen, stünde: war
nicht vielleicht Verfolgung wider diesen Sa-
mariter Schuld daran? Es liegt auf jedem
Lebens ausgegangenen Gesicht Rücksicht und
Hinsicht, sagte der Graf. Ich fand keines von
beyden auf unserm Ruhigen. Er neigte nicht
sein Haupt, das that auch sein Bruder nicht,

sie

ſagt’ ich, da ich ihn ſahe — Du ruhiger
Menſch. Koͤnnte ſeine Seele wohl in der
Hoͤlle und Qual ſeyn, und ſein beſtes Leib-
ſtuͤck, ſein Kopf, ſo ausſehen? Es waͤr’ ihm,
ſolt ich denken, auf dem Hoͤlle- und Quaal-
Fall gewis etwas vom Durſt anzuſehen, den
ſeine andre Helfte dort litte. Mein Vater
pflegte zu ſagen: alles Paarweiſe, Seele
Mann, Koͤrper Weib. W. Z. E. W. Meine
Mutter wuͤrde geſagt haben, Leib Weib —
ohne W. Z. E. W. Dies fiel mir ein, und
ſchnell dacht ich, ein gutes Weib! Sollte wohl
da oben uͤbern Augen Etwas Menſchenhaß
liegen? und der Gerntodt eben daher ſein
ſchoͤnes Feyerkleid her haben? und die Ent-
ſchloſſenheit, auch ganz zur Erde zu werden,
daher kommen, um nur mit Menſchen nicht
mehr zuſammen zu ſeyn? — Seht ihn recht
an, ich finde keine Schuld an ihm, und wenn
etwas Bitterkeit wider Prieſter und Leviten,
wie Unkraut unterm Waizen, ſtuͤnde: war
nicht vielleicht Verfolgung wider dieſen Sa-
mariter Schuld daran? Es liegt auf jedem
Lebens ausgegangenen Geſicht Ruͤckſicht und
Hinſicht, ſagte der Graf. Ich fand keines von
beyden auf unſerm Ruhigen. Er neigte nicht
ſein Haupt, das that auch ſein Bruder nicht,

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[79/0085] ſagt’ ich, da ich ihn ſahe — Du ruhiger Menſch. Koͤnnte ſeine Seele wohl in der Hoͤlle und Qual ſeyn, und ſein beſtes Leib- ſtuͤck, ſein Kopf, ſo ausſehen? Es waͤr’ ihm, ſolt ich denken, auf dem Hoͤlle- und Quaal- Fall gewis etwas vom Durſt anzuſehen, den ſeine andre Helfte dort litte. Mein Vater pflegte zu ſagen: alles Paarweiſe, Seele Mann, Koͤrper Weib. W. Z. E. W. Meine Mutter wuͤrde geſagt haben, Leib Weib — ohne W. Z. E. W. Dies fiel mir ein, und ſchnell dacht ich, ein gutes Weib! Sollte wohl da oben uͤbern Augen Etwas Menſchenhaß liegen? und der Gerntodt eben daher ſein ſchoͤnes Feyerkleid her haben? und die Ent- ſchloſſenheit, auch ganz zur Erde zu werden, daher kommen, um nur mit Menſchen nicht mehr zuſammen zu ſeyn? — Seht ihn recht an, ich finde keine Schuld an ihm, und wenn etwas Bitterkeit wider Prieſter und Leviten, wie Unkraut unterm Waizen, ſtuͤnde: war nicht vielleicht Verfolgung wider dieſen Sa- mariter Schuld daran? Es liegt auf jedem Lebens ausgegangenen Geſicht Ruͤckſicht und Hinſicht, ſagte der Graf. Ich fand keines von beyden auf unſerm Ruhigen. Er neigte nicht ſein Haupt, das that auch ſein Bruder nicht, ſie

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/85>, abgerufen am 23.11.2024.