de! Der Graf, der in andern Fächern eben keine große Kenntniße bewieß, war uner- schöpflich in den Sterbenswißenschaften. Da hatte er gedacht und gelesen. Da konnt' er mit dem Gelehrtesten schon eins anbinden. Ich wundre mich noch, daß er bis auf die Terminologien, die eben seine Sache nicht waren, den Tod in allen Zeiten, in allen Zun- gen und Sprachen, verstand. So gar aus fremden Sprachen, die er nicht kannte, wuste er gewiße Worte, den Tod betreffend. Der Prediger konnte ihm in dieser Kunst auf sechs kaum das siebente antworten; indeßen exami- nirt' er nicht, wie es denn auch Niemand thut, der dem andern sehr überlegen ist. Wer würklich weniger weiß, als der Initiandus, ist ein Inquisitor im Examen. -- Der Ueber- legene lehret nur, das heißt, er legt es alles zum Greifen nahe.
Ich erinnere mich meines Versprechens, meine Leser in drey Zimmer zu führen.
Das erste Zimmer soll das seyn, wo der Graf seine verstorbene nächste Familie hatte.
Es wird meinen Lesern noch im frischen Andenken seyn, daß ich bey dem seeligen Ende
des
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de! Der Graf, der in andern Faͤchern eben keine große Kenntniße bewieß, war uner- ſchoͤpflich in den Sterbenswißenſchaften. Da hatte er gedacht und geleſen. Da konnt’ er mit dem Gelehrteſten ſchon eins anbinden. Ich wundre mich noch, daß er bis auf die Terminologien, die eben ſeine Sache nicht waren, den Tod in allen Zeiten, in allen Zun- gen und Sprachen, verſtand. So gar aus fremden Sprachen, die er nicht kannte, wuſte er gewiße Worte, den Tod betreffend. Der Prediger konnte ihm in dieſer Kunſt auf ſechs kaum das ſiebente antworten; indeßen exami- nirt’ er nicht, wie es denn auch Niemand thut, der dem andern ſehr uͤberlegen iſt. Wer wuͤrklich weniger weiß, als der Initiandus, iſt ein Inquiſitor im Examen. — Der Ueber- legene lehret nur, das heißt, er legt es alles zum Greifen nahe.
Ich erinnere mich meines Verſprechens, meine Leſer in drey Zimmer zu fuͤhren.
Das erſte Zimmer ſoll das ſeyn, wo der Graf ſeine verſtorbene naͤchſte Familie hatte.
Es wird meinen Leſern noch im friſchen Andenken ſeyn, daß ich bey dem ſeeligen Ende
des
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de! Der Graf, der in andern Faͤchern eben
keine große Kenntniße bewieß, war uner-
ſchoͤpflich in den Sterbenswißenſchaften. Da
hatte er gedacht und geleſen. Da konnt’ er
mit dem Gelehrteſten ſchon eins anbinden.
Ich wundre mich noch, daß er bis auf die
Terminologien, die eben ſeine Sache nicht
waren, den Tod in allen Zeiten, in allen Zun-
gen und Sprachen, verſtand. So gar aus
fremden Sprachen, die er nicht kannte, wuſte
er gewiße Worte, den Tod betreffend. Der
Prediger konnte ihm in dieſer Kunſt auf ſechs
kaum das ſiebente antworten; indeßen exami-
nirt’ er nicht, wie es denn auch Niemand thut,
der dem andern ſehr uͤberlegen iſt. Wer
wuͤrklich weniger weiß, als der Initiandus,
iſt ein Inquiſitor im Examen. — Der Ueber-
legene lehret nur, das heißt, er legt es alles
zum Greifen nahe.
Ich erinnere mich meines Verſprechens,
meine Leſer in drey Zimmer zu fuͤhren.
Das erſte Zimmer ſoll das ſeyn, wo der
Graf ſeine verſtorbene naͤchſte Familie hatte.
Es wird meinen Leſern noch im friſchen
Andenken ſeyn, daß ich bey dem ſeeligen Ende
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/73>, abgerufen am 23.11.2024.
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