Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

beinhäusern Sitt' ist, gestellt habe. -- -- Da
ist nicht mehr Tempel und Saal.

Paulus kann unmöglich brünstiger den
unbekannten Gottesaltar angesehen ha-
ben, als ich den des Grafen, geweihet den
Menschen, die Gott nicht als Vater, sondern
als Herrn, als Alleinherrscher, anschauen.
Ist denn, dacht' ich, Gott den Christen bekann-
ter? Wohnet er nicht in einem Lichte, wozu
niemand kommen kann? Ist er nicht ein We-
sen, das Niemand gesehen hat, und sehen kann?
Der Gottverehrer indessen sieht sich selbst im
Spiegel, der Christ sieht Christum, wenn bey-
de Gott sehen wollen. Ihm, dem Vater aller
Dinge, sey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit,
Amen!

Wir giengen durch mancherley Zimmer
zur Capelle, durch viel Trübsal, sagte der Graf,
zum Reiche Gottes. Es waren ihrer dreymal
sieben. Der Graf liebte diese Zahl sehr, er
nannte sie eine Offenbahrungs Johannis Zahl,
eine biblische Zahl, und hatte gewiß ein Paar
Zimmer (da wolt' ich drauf wetten) eingehen
lassen, oder mehr angebauet, um nur die Zahl
sieben herauszubringen! Man laß ihm doch
die siebente Zahl! Meine Mutter pflegte zu
sagen, jeder habe seine Zahl, die ihm am Her-

zen

beinhaͤuſern Sitt’ iſt, geſtellt habe. — — Da
iſt nicht mehr Tempel und Saal.

Paulus kann unmoͤglich bruͤnſtiger den
unbekannten Gottesaltar angeſehen ha-
ben, als ich den des Grafen, geweihet den
Menſchen, die Gott nicht als Vater, ſondern
als Herrn, als Alleinherrſcher, anſchauen.
Iſt denn, dacht’ ich, Gott den Chriſten bekann-
ter? Wohnet er nicht in einem Lichte, wozu
niemand kommen kann? Iſt er nicht ein We-
ſen, das Niemand geſehen hat, und ſehen kann?
Der Gottverehrer indeſſen ſieht ſich ſelbſt im
Spiegel, der Chriſt ſieht Chriſtum, wenn bey-
de Gott ſehen wollen. Ihm, dem Vater aller
Dinge, ſey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit,
Amen!

Wir giengen durch mancherley Zimmer
zur Capelle, durch viel Truͤbſal, ſagte der Graf,
zum Reiche Gottes. Es waren ihrer dreymal
ſieben. Der Graf liebte dieſe Zahl ſehr, er
nannte ſie eine Offenbahrungs Johannis Zahl,
eine bibliſche Zahl, und hatte gewiß ein Paar
Zimmer (da wolt’ ich drauf wetten) eingehen
laſſen, oder mehr angebauet, um nur die Zahl
ſieben herauszubringen! Man laß ihm doch
die ſiebente Zahl! Meine Mutter pflegte zu
ſagen, jeder habe ſeine Zahl, die ihm am Her-

zen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="54"/>
beinha&#x0364;u&#x017F;ern Sitt&#x2019; i&#x017F;t, ge&#x017F;tellt habe. &#x2014; &#x2014; Da<lb/>
i&#x017F;t nicht mehr Tempel und Saal.</p><lb/>
        <p>Paulus kann unmo&#x0364;glich bru&#x0364;n&#x017F;tiger den<lb/><hi rendition="#fr">unbekannten Gottesaltar</hi> ange&#x017F;ehen ha-<lb/>
ben, als ich den des Grafen, geweihet den<lb/>
Men&#x017F;chen, die Gott nicht als Vater, &#x017F;ondern<lb/>
als Herrn, als Alleinherr&#x017F;cher, an&#x017F;chauen.<lb/>
I&#x017F;t denn, dacht&#x2019; ich, Gott den Chri&#x017F;ten bekann-<lb/>
ter? Wohnet er nicht in einem Lichte, wozu<lb/>
niemand kommen kann? I&#x017F;t er nicht ein We-<lb/>
&#x017F;en, das Niemand ge&#x017F;ehen hat, und &#x017F;ehen kann?<lb/>
Der Gottverehrer inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ieht &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t im<lb/>
Spiegel, der Chri&#x017F;t &#x017F;ieht Chri&#x017F;tum, wenn bey-<lb/>
de Gott &#x017F;ehen wollen. Ihm, dem Vater aller<lb/>
Dinge, &#x017F;ey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit,<lb/>
Amen!</p><lb/>
        <p>Wir giengen durch mancherley Zimmer<lb/>
zur Capelle, durch viel Tru&#x0364;b&#x017F;al, &#x017F;agte der Graf,<lb/>
zum Reiche Gottes. Es waren ihrer dreymal<lb/>
&#x017F;ieben. Der Graf liebte die&#x017F;e Zahl &#x017F;ehr, er<lb/>
nannte &#x017F;ie eine Offenbahrungs Johannis Zahl,<lb/>
eine bibli&#x017F;che Zahl, und hatte gewiß ein Paar<lb/>
Zimmer (da wolt&#x2019; ich drauf wetten) eingehen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, oder mehr angebauet, um nur die Zahl<lb/>
&#x017F;ieben herauszubringen! Man laß ihm doch<lb/>
die &#x017F;iebente Zahl! Meine Mutter pflegte zu<lb/>
&#x017F;agen, jeder habe &#x017F;eine Zahl, die ihm am Her-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0060] beinhaͤuſern Sitt’ iſt, geſtellt habe. — — Da iſt nicht mehr Tempel und Saal. Paulus kann unmoͤglich bruͤnſtiger den unbekannten Gottesaltar angeſehen ha- ben, als ich den des Grafen, geweihet den Menſchen, die Gott nicht als Vater, ſondern als Herrn, als Alleinherrſcher, anſchauen. Iſt denn, dacht’ ich, Gott den Chriſten bekann- ter? Wohnet er nicht in einem Lichte, wozu niemand kommen kann? Iſt er nicht ein We- ſen, das Niemand geſehen hat, und ſehen kann? Der Gottverehrer indeſſen ſieht ſich ſelbſt im Spiegel, der Chriſt ſieht Chriſtum, wenn bey- de Gott ſehen wollen. Ihm, dem Vater aller Dinge, ſey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen! Wir giengen durch mancherley Zimmer zur Capelle, durch viel Truͤbſal, ſagte der Graf, zum Reiche Gottes. Es waren ihrer dreymal ſieben. Der Graf liebte dieſe Zahl ſehr, er nannte ſie eine Offenbahrungs Johannis Zahl, eine bibliſche Zahl, und hatte gewiß ein Paar Zimmer (da wolt’ ich drauf wetten) eingehen laſſen, oder mehr angebauet, um nur die Zahl ſieben herauszubringen! Man laß ihm doch die ſiebente Zahl! Meine Mutter pflegte zu ſagen, jeder habe ſeine Zahl, die ihm am Her- zen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/60
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/60>, abgerufen am 06.05.2024.