Gevatter, sind Kleider der Sache. Kleiden denn alle Farben alle Gesichter? Es ist ein Aufputz, das Colorit -- das wahrlich seinen Meister erfordert. -- Wenn es also recht wäre, müßten Christen christliche Ceremonien haben. Wie stimmet Christus mit Belial, hätt' [ich] bey einem Haar gesagt; allein Belial und ein Heide ist zweyerley. Die Folge die- ses Spruchs paßt besser. Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?
Ich gesteh es gern, daß mein Auge dem Ohr viel abgewonnen; indessen kam die Sa- che endlich so zu stehen:
Es giebt ein blindheidnisches, und ein Gott- verehrendes, ein sehendes Heidenthum. Auch diese Sehende sind von Christen unterschieden, so wie Saal von Kirche. Findet man Anti- ken, wo man einen unbekannten Gott drinn siehet, einen Künstler, der bey dieser Arbeit nicht aufs Sichtbare, sondern aufs Unsicht- bare sahe; Heil dem Künstler! Und findet man einen Samariter mit Oel und Wein -- er sey uns ehrenwerth -- und findet man -- Genug.
Zu beyden Seiten der großen Thüre stan- den zween Genien, deren jeder seine Fackel umgekehrt hatte, und ins Kreuz auf eine Ur-
ne
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Gevatter, ſind Kleider der Sache. Kleiden denn alle Farben alle Geſichter? Es iſt ein Aufputz, das Colorit — das wahrlich ſeinen Meiſter erfordert. — Wenn es alſo recht waͤre, muͤßten Chriſten chriſtliche Ceremonien haben. Wie ſtimmet Chriſtus mit Belial, haͤtt’ [ich] bey einem Haar geſagt; allein Belial und ein Heide iſt zweyerley. Die Folge die- ſes Spruchs paßt beſſer. Was hat das Licht fuͤr Gemeinſchaft mit der Finſternis?
Ich geſteh es gern, daß mein Auge dem Ohr viel abgewonnen; indeſſen kam die Sa- che endlich ſo zu ſtehen:
Es giebt ein blindheidniſches, und ein Gott- verehrendes, ein ſehendes Heidenthum. Auch dieſe Sehende ſind von Chriſten unterſchieden, ſo wie Saal von Kirche. Findet man Anti- ken, wo man einen unbekannten Gott drinn ſiehet, einen Kuͤnſtler, der bey dieſer Arbeit nicht aufs Sichtbare, ſondern aufs Unſicht- bare ſahe; Heil dem Kuͤnſtler! Und findet man einen Samariter mit Oel und Wein — er ſey uns ehrenwerth — und findet man — Genug.
Zu beyden Seiten der großen Thuͤre ſtan- den zween Genien, deren jeder ſeine Fackel umgekehrt hatte, und ins Kreuz auf eine Ur-
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Gevatter, ſind Kleider der Sache. Kleiden
denn alle Farben alle Geſichter? Es iſt ein
Aufputz, das Colorit — das wahrlich ſeinen
Meiſter erfordert. — Wenn es alſo recht
waͤre, muͤßten Chriſten chriſtliche Ceremonien
haben. Wie ſtimmet Chriſtus mit Belial,
haͤtt’ ich bey einem Haar geſagt; allein Belial
und ein Heide iſt zweyerley. Die Folge die-
ſes Spruchs paßt beſſer. Was hat das Licht
fuͤr Gemeinſchaft mit der Finſternis?
Ich geſteh es gern, daß mein Auge dem
Ohr viel abgewonnen; indeſſen kam die Sa-
che endlich ſo zu ſtehen:
Es giebt ein blindheidniſches, und ein Gott-
verehrendes, ein ſehendes Heidenthum. Auch
dieſe Sehende ſind von Chriſten unterſchieden,
ſo wie Saal von Kirche. Findet man Anti-
ken, wo man einen unbekannten Gott drinn
ſiehet, einen Kuͤnſtler, der bey dieſer Arbeit
nicht aufs Sichtbare, ſondern aufs Unſicht-
bare ſahe; Heil dem Kuͤnſtler! Und findet
man einen Samariter mit Oel und Wein —
er ſey uns ehrenwerth — und findet man —
Genug.
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/57>, abgerufen am 23.11.2024.
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