Stufen an. -- Erschrecken, pflegte mein Va- ter zu sagen, ist die Goldwaage für Männer. Wir können erhaben und pöbelhaft erschrecken. Die Weiber erschrecken bald, und, was noch mehr ist, nach einer und zwar bekannten Me- lodie. -- Sie erschrecken schön, wenn man will. -- Um alles in der Welt wünscht' ich mir keine Frau, die nicht leicht erschröcke. Schaamröthe und Erschrecken liegt bey ihnen in einem Bezirk. Eins borgt vom andern; beydes kleidet das schöne Geschlecht. -- Es ist extra fein Postpapier, wo alles durch- schlägt. --
Könnt' ich meine Leser und Leserinnen doch in den Saal selbst und weiter einführen. Könnt' ichs doch! Todespracht überall! Wahrlich Todespracht. -- Mir wars oft, als hört' ich einen dumpfen Ton: Mensch, du must sterben! Wäre mir diese Bothschaft we- niger fremde in meiner damahligen Lage ge- wesen; ich wäre mehr zurückgefallen. -- Ich weiß nicht, ob meinen Lesern die Geschichte des Belsazars beywohnet, der eine Hand an der Wand schreiben sahe. -- Solch eine Hand an die Wand schreiben zu sehen -- --
Was ich erzählen kann und werde, o! wie gar nichts gegen das, was ich sahe -- nichts --
Den
Stufen an. — Erſchrecken, pflegte mein Va- ter zu ſagen, iſt die Goldwaage fuͤr Maͤnner. Wir koͤnnen erhaben und poͤbelhaft erſchrecken. Die Weiber erſchrecken bald, und, was noch mehr iſt, nach einer und zwar bekannten Me- lodie. — Sie erſchrecken ſchoͤn, wenn man will. — Um alles in der Welt wuͤnſcht’ ich mir keine Frau, die nicht leicht erſchroͤcke. Schaamroͤthe und Erſchrecken liegt bey ihnen in einem Bezirk. Eins borgt vom andern; beydes kleidet das ſchoͤne Geſchlecht. — Es iſt extra fein Poſtpapier, wo alles durch- ſchlaͤgt. —
Koͤnnt’ ich meine Leſer und Leſerinnen doch in den Saal ſelbſt und weiter einfuͤhren. Koͤnnt’ ichs doch! Todespracht uͤberall! Wahrlich Todespracht. — Mir wars oft, als hoͤrt’ ich einen dumpfen Ton: Menſch, du muſt ſterben! Waͤre mir dieſe Bothſchaft we- niger fremde in meiner damahligen Lage ge- weſen; ich waͤre mehr zuruͤckgefallen. — Ich weiß nicht, ob meinen Leſern die Geſchichte des Belſazars beywohnet, der eine Hand an der Wand ſchreiben ſahe. — Solch eine Hand an die Wand ſchreiben zu ſehen — —
Was ich erzaͤhlen kann und werde, o! wie gar nichts gegen das, was ich ſahe — nichts —
Den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0052"n="46"/>
Stufen an. — Erſchrecken, pflegte mein Va-<lb/>
ter zu ſagen, iſt die Goldwaage fuͤr Maͤnner.<lb/>
Wir koͤnnen erhaben und poͤbelhaft erſchrecken.<lb/>
Die Weiber erſchrecken bald, und, was noch<lb/>
mehr iſt, nach einer und zwar bekannten Me-<lb/>
lodie. — Sie erſchrecken ſchoͤn, wenn man<lb/>
will. — Um alles in der Welt wuͤnſcht’ ich<lb/>
mir keine Frau, die nicht leicht erſchroͤcke.<lb/>
Schaamroͤthe und Erſchrecken liegt bey ihnen<lb/>
in einem Bezirk. Eins borgt vom andern;<lb/>
beydes kleidet das ſchoͤne Geſchlecht. — Es<lb/>
iſt extra fein Poſtpapier, wo alles durch-<lb/>ſchlaͤgt. —</p><lb/><p>Koͤnnt’ ich meine Leſer und Leſerinnen doch<lb/>
in den Saal ſelbſt und weiter einfuͤhren.<lb/>
Koͤnnt’ ichs doch! Todespracht uͤberall!<lb/>
Wahrlich Todespracht. — Mir wars oft, als<lb/>
hoͤrt’ ich einen dumpfen Ton: Menſch, du<lb/>
muſt ſterben! Waͤre mir dieſe Bothſchaft we-<lb/>
niger fremde in meiner damahligen Lage ge-<lb/>
weſen; ich waͤre mehr zuruͤckgefallen. — Ich<lb/>
weiß nicht, ob meinen Leſern die Geſchichte<lb/>
des Belſazars beywohnet, der eine Hand an<lb/>
der Wand ſchreiben ſahe. — Solch eine<lb/>
Hand an die Wand ſchreiben zu ſehen ——</p><lb/><p>Was ich erzaͤhlen kann und werde, o! wie<lb/>
gar nichts gegen das, was ich ſahe — nichts —</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Den</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[46/0052]
Stufen an. — Erſchrecken, pflegte mein Va-
ter zu ſagen, iſt die Goldwaage fuͤr Maͤnner.
Wir koͤnnen erhaben und poͤbelhaft erſchrecken.
Die Weiber erſchrecken bald, und, was noch
mehr iſt, nach einer und zwar bekannten Me-
lodie. — Sie erſchrecken ſchoͤn, wenn man
will. — Um alles in der Welt wuͤnſcht’ ich
mir keine Frau, die nicht leicht erſchroͤcke.
Schaamroͤthe und Erſchrecken liegt bey ihnen
in einem Bezirk. Eins borgt vom andern;
beydes kleidet das ſchoͤne Geſchlecht. — Es
iſt extra fein Poſtpapier, wo alles durch-
ſchlaͤgt. —
Koͤnnt’ ich meine Leſer und Leſerinnen doch
in den Saal ſelbſt und weiter einfuͤhren.
Koͤnnt’ ichs doch! Todespracht uͤberall!
Wahrlich Todespracht. — Mir wars oft, als
hoͤrt’ ich einen dumpfen Ton: Menſch, du
muſt ſterben! Waͤre mir dieſe Bothſchaft we-
niger fremde in meiner damahligen Lage ge-
weſen; ich waͤre mehr zuruͤckgefallen. — Ich
weiß nicht, ob meinen Leſern die Geſchichte
des Belſazars beywohnet, der eine Hand an
der Wand ſchreiben ſahe. — Solch eine
Hand an die Wand ſchreiben zu ſehen — —
Was ich erzaͤhlen kann und werde, o! wie
gar nichts gegen das, was ich ſahe — nichts —
Den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/52>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.