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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Herrn beyleget, das Haupt, die andern Pro-
vinzen aber die Glieder werden! Würd' es
nicht gut seyn, wenn die hohen Collegia des
Landes an den kleinsten unbedeutensten Oer-
tern wären? Gott regieret im Verborgenen. --
Der König von Preußen visitirt wenigstens
jährlich seine Provinzen. Er braucht keinen
Wardein seiner Diener. Sein Aug' ist
Schwert und Waage und da blickt er umher,
und wenn er einen Ueberhang von Aesten ei-
nes Unterthans über des andern Boden fin-
det, der diesen stöhret; heißts: haue sie ab,
was hindern sie das Land. -- Er besitzet
ein moralisches Menstruum universale, alle
seine Unterthanen aufzuschliessen. -- Bey
Freunden irrt er öfters. Er hat einmahl
Berlin, und es verlohnts, daß er es hat. Wer
es behauptet, daß die Residenz der Extrakt,
das Extrafeine, die Punktation aller Provin-
zen sey, mag so unrecht nicht haben. Ich
glaube fast, daß man aus der Residenz den
ganzen Staat in unsern Zeiten am sichersten
übersehen könne; es kommt nur hier, wie
überall, auf den Standpunkt an.

Thiergarten, rief Junker Gotthard, und
lief spornstreichs hin. -- Glockenspiel!

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E e 3

Herrn beyleget, das Haupt, die andern Pro-
vinzen aber die Glieder werden! Wuͤrd’ es
nicht gut ſeyn, wenn die hohen Collegia des
Landes an den kleinſten unbedeutenſten Oer-
tern waͤren? Gott regieret im Verborgenen. —
Der Koͤnig von Preußen viſitirt wenigſtens
jaͤhrlich ſeine Provinzen. Er braucht keinen
Wardein ſeiner Diener. Sein Aug’ iſt
Schwert und Waage und da blickt er umher,
und wenn er einen Ueberhang von Aeſten ei-
nes Unterthans uͤber des andern Boden fin-
det, der dieſen ſtoͤhret; heißts: haue ſie ab,
was hindern ſie das Land. — Er beſitzet
ein moraliſches Menſtruum univerſale, alle
ſeine Unterthanen aufzuſchlieſſen. — Bey
Freunden irrt er oͤfters. Er hat einmahl
Berlin, und es verlohnts, daß er es hat. Wer
es behauptet, daß die Reſidenz der Extrakt,
das Extrafeine, die Punktation aller Provin-
zen ſey, mag ſo unrecht nicht haben. Ich
glaube faſt, daß man aus der Reſidenz den
ganzen Staat in unſern Zeiten am ſicherſten
uͤberſehen koͤnne; es kommt nur hier, wie
uͤberall, auf den Standpunkt an.

Thiergarten, rief Junker Gotthard, und
lief ſpornſtreichs hin. — Glockenſpiel!

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[437/0445] Herrn beyleget, das Haupt, die andern Pro- vinzen aber die Glieder werden! Wuͤrd’ es nicht gut ſeyn, wenn die hohen Collegia des Landes an den kleinſten unbedeutenſten Oer- tern waͤren? Gott regieret im Verborgenen. — Der Koͤnig von Preußen viſitirt wenigſtens jaͤhrlich ſeine Provinzen. Er braucht keinen Wardein ſeiner Diener. Sein Aug’ iſt Schwert und Waage und da blickt er umher, und wenn er einen Ueberhang von Aeſten ei- nes Unterthans uͤber des andern Boden fin- det, der dieſen ſtoͤhret; heißts: haue ſie ab, was hindern ſie das Land. — Er beſitzet ein moraliſches Menſtruum univerſale, alle ſeine Unterthanen aufzuſchlieſſen. — Bey Freunden irrt er oͤfters. Er hat einmahl Berlin, und es verlohnts, daß er es hat. Wer es behauptet, daß die Reſidenz der Extrakt, das Extrafeine, die Punktation aller Provin- zen ſey, mag ſo unrecht nicht haben. Ich glaube faſt, daß man aus der Reſidenz den ganzen Staat in unſern Zeiten am ſicherſten uͤberſehen koͤnne; es kommt nur hier, wie uͤberall, auf den Standpunkt an. Thiergarten, rief Junker Gotthard, und lief ſpornſtreichs hin. — Glockenſpiel! ſchrie E e 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/445>, abgerufen am 22.11.2024.