vertilgt hätte, konnt' ichs? Ich kam nicht zu sehen des Knabens Sterben, hieß es von mir, wie von Hagar und Ismael! Obgleich Ismael ein Spötter war; ich aber kein Wort geschrie- ben habe, was ismaelisch wäre. Die Frage: hätte Mine füglich Superintendentin werden können? und die Stelle: wenn auch -- Das wäre so etwas, das ich Lust zu vernich- ten hätte! Und der Brief an Sie ist wahrlich des Feuers schuldig. -- Selten, mein Sohn, ist ein Herz, das nicht mit dem Kopf übern Fuß gespannt wäre, oft wenig, oft viel. Sel- ten ists, daß Kopf und Herz sich mit einander einverstehen, und dann spotten sie sich nach. Da spielt denn das Herz den Kopf, und der Kopf das Herz, und die beyden Gecken sehen sich als ein Paar Affen an! -- Ja, sie hätte! -- Mine hätte können! Wenn ein Hechtkopf aufgetragen wird, suche des Kopfs habhaft zu werden. Zwar ists auch ein Fischkopf, der jedem Tyrannen schrecklich seyn würde; dich aber wird er erbauen: da fehlt nicht ein Stück von dem, was bey der Kreuzigung vorgefallen -- Speer, Kreutz. -- Wie stehts, wie gehts auf der Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod von deinem Fleiß abwendig machen. Sie studirt dort, du hier, beyde Theologiam!
Ver-
C c
vertilgt haͤtte, konnt’ ichs? Ich kam nicht zu ſehen des Knabens Sterben, hieß es von mir, wie von Hagar und Iſmael! Obgleich Iſmael ein Spoͤtter war; ich aber kein Wort geſchrie- ben habe, was iſmaeliſch waͤre. Die Frage: haͤtte Mine fuͤglich Superintendentin werden koͤnnen? und die Stelle: wenn auch — Das waͤre ſo etwas, das ich Luſt zu vernich- ten haͤtte! Und der Brief an Sie iſt wahrlich des Feuers ſchuldig. — Selten, mein Sohn, iſt ein Herz, das nicht mit dem Kopf uͤbern Fuß geſpannt waͤre, oft wenig, oft viel. Sel- ten iſts, daß Kopf und Herz ſich mit einander einverſtehen, und dann ſpotten ſie ſich nach. Da ſpielt denn das Herz den Kopf, und der Kopf das Herz, und die beyden Gecken ſehen ſich als ein Paar Affen an! — Ja, ſie haͤtte! — Mine haͤtte koͤnnen! Wenn ein Hechtkopf aufgetragen wird, ſuche des Kopfs habhaft zu werden. Zwar iſts auch ein Fiſchkopf, der jedem Tyrannen ſchrecklich ſeyn wuͤrde; dich aber wird er erbauen: da fehlt nicht ein Stuͤck von dem, was bey der Kreuzigung vorgefallen — Speer, Kreutz. — Wie ſtehts, wie gehts auf der Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod von deinem Fleiß abwendig machen. Sie ſtudirt dort, du hier, beyde Theologiam!
Ver-
C c
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0409"n="401"/>
vertilgt haͤtte, konnt’ ichs? Ich kam nicht zu<lb/>ſehen des Knabens Sterben, hieß es von mir,<lb/>
wie von Hagar und Iſmael! Obgleich Iſmael<lb/>
ein Spoͤtter war; ich aber kein Wort geſchrie-<lb/>
ben habe, was iſmaeliſch waͤre. Die Frage:<lb/>
haͤtte Mine fuͤglich Superintendentin werden<lb/>
koͤnnen? und die Stelle: <hirendition="#fr">wenn auch</hi>—<lb/>
Das waͤre ſo etwas, das ich Luſt zu vernich-<lb/>
ten haͤtte! Und der Brief an Sie iſt wahrlich<lb/>
des Feuers ſchuldig. — Selten, mein Sohn,<lb/>
iſt ein Herz, das nicht mit dem Kopf uͤbern<lb/>
Fuß geſpannt waͤre, oft wenig, oft viel. Sel-<lb/>
ten iſts, daß Kopf und Herz ſich mit einander<lb/>
einverſtehen, und dann ſpotten ſie ſich nach.<lb/>
Da ſpielt denn das Herz den Kopf, und der<lb/>
Kopf das Herz, und die beyden Gecken ſehen<lb/>ſich als ein Paar Affen an! — Ja, ſie<lb/>
haͤtte! — Mine haͤtte koͤnnen! Wenn ein<lb/>
Hechtkopf aufgetragen wird, ſuche des Kopfs<lb/>
habhaft zu werden. Zwar iſts auch ein<lb/>
Fiſchkopf, der jedem Tyrannen ſchrecklich<lb/>ſeyn wuͤrde; dich aber wird er erbauen:<lb/>
da fehlt nicht ein Stuͤck von dem, was<lb/>
bey der Kreuzigung vorgefallen — Speer,<lb/>
Kreutz. — Wie ſtehts, wie gehts auf der<lb/>
Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod<lb/>
von deinem Fleiß abwendig machen. Sie<lb/>ſtudirt dort, du hier, beyde Theologiam!<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C c</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ver-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[401/0409]
vertilgt haͤtte, konnt’ ichs? Ich kam nicht zu
ſehen des Knabens Sterben, hieß es von mir,
wie von Hagar und Iſmael! Obgleich Iſmael
ein Spoͤtter war; ich aber kein Wort geſchrie-
ben habe, was iſmaeliſch waͤre. Die Frage:
haͤtte Mine fuͤglich Superintendentin werden
koͤnnen? und die Stelle: wenn auch —
Das waͤre ſo etwas, das ich Luſt zu vernich-
ten haͤtte! Und der Brief an Sie iſt wahrlich
des Feuers ſchuldig. — Selten, mein Sohn,
iſt ein Herz, das nicht mit dem Kopf uͤbern
Fuß geſpannt waͤre, oft wenig, oft viel. Sel-
ten iſts, daß Kopf und Herz ſich mit einander
einverſtehen, und dann ſpotten ſie ſich nach.
Da ſpielt denn das Herz den Kopf, und der
Kopf das Herz, und die beyden Gecken ſehen
ſich als ein Paar Affen an! — Ja, ſie
haͤtte! — Mine haͤtte koͤnnen! Wenn ein
Hechtkopf aufgetragen wird, ſuche des Kopfs
habhaft zu werden. Zwar iſts auch ein
Fiſchkopf, der jedem Tyrannen ſchrecklich
ſeyn wuͤrde; dich aber wird er erbauen:
da fehlt nicht ein Stuͤck von dem, was
bey der Kreuzigung vorgefallen — Speer,
Kreutz. — Wie ſtehts, wie gehts auf der
Academie? Laß dich nicht durch Minens Tod
von deinem Fleiß abwendig machen. Sie
ſtudirt dort, du hier, beyde Theologiam!
Ver-
C c
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/409>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.