freundlich gebeten, doch ja den Brief zu be- stellen. Sag am Ende, um nur mit einem Blick, mit einem einzigen, auf die nächstfol- gende Station zu kommen, hätte wohl Mine füglich Superintendentin werden können? Wenn ich schwach bin, bin ich stark, sagt ein Apostel, der doch entzückt ward bis in den dritten Himmel, ins Paradies, wo er unaus- sprechliche Worte hörte, die kein Mensch aus- drücken kann. In Parenthesi, mein Sohn! Betrüge den Petrus und den Paulus nicht um ihr us. Scheer ihnen den Bart nicht, der ihnen so treflich steht. Recht Maaß, rechte Elle, recht Gewicht. Sey nicht solch ein Ehrenschänder, als ein junger Candidat, der vor acht Tagen bey uns war, welcherley es viel giebt unter den Deutschgelehrten. Der heilige Paul, der heilige Peter! O du höl- zerner Peter du! Peter und Paul ohn us ist nicht Petrus und Paulus. Dein Vater selbst, der in solchen Dingen, wie du weißt, kein Zelot' ist, und seinen Schlagbaum manchem öfnet, wobey ich halt rufe, ärgerte sich die- ses Candidaten mit hinten gesteckten Locken. Du in dich selbst verliebter Narciß, der du der Kirche nicht einst die Tonsur deiner Haare leistest, und deine Härlein mehr liebest, denn
Sitt'
freundlich gebeten, doch ja den Brief zu be- ſtellen. Sag am Ende, um nur mit einem Blick, mit einem einzigen, auf die naͤchſtfol- gende Station zu kommen, haͤtte wohl Mine fuͤglich Superintendentin werden koͤnnen? Wenn ich ſchwach bin, bin ich ſtark, ſagt ein Apoſtel, der doch entzuͤckt ward bis in den dritten Himmel, ins Paradies, wo er unaus- ſprechliche Worte hoͤrte, die kein Menſch aus- druͤcken kann. In Parentheſi, mein Sohn! Betruͤge den Petrus und den Paulus nicht um ihr us. Scheer ihnen den Bart nicht, der ihnen ſo treflich ſteht. Recht Maaß, rechte Elle, recht Gewicht. Sey nicht ſolch ein Ehrenſchaͤnder, als ein junger Candidat, der vor acht Tagen bey uns war, welcherley es viel giebt unter den Deutſchgelehrten. Der heilige Paul, der heilige Peter! O du hoͤl- zerner Peter du! Peter und Paul ohn us iſt nicht Petrus und Paulus. Dein Vater ſelbſt, der in ſolchen Dingen, wie du weißt, kein Zelot’ iſt, und ſeinen Schlagbaum manchem oͤfnet, wobey ich halt rufe, aͤrgerte ſich die- ſes Candidaten mit hinten geſteckten Locken. Du in dich ſelbſt verliebter Narciß, der du der Kirche nicht einſt die Tonſur deiner Haare leiſteſt, und deine Haͤrlein mehr liebeſt, denn
Sitt’
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freundlich gebeten, doch ja den Brief zu be-
ſtellen. Sag am Ende, um nur mit einem
Blick, mit einem einzigen, auf die naͤchſtfol-
gende Station zu kommen, haͤtte wohl Mine
fuͤglich Superintendentin werden koͤnnen?
Wenn ich ſchwach bin, bin ich ſtark, ſagt ein
Apoſtel, der doch entzuͤckt ward bis in den
dritten Himmel, ins Paradies, wo er unaus-
ſprechliche Worte hoͤrte, die kein Menſch aus-
druͤcken kann. In Parentheſi, mein Sohn!
Betruͤge den Petrus und den Paulus nicht
um ihr us. Scheer ihnen den Bart nicht,
der ihnen ſo treflich ſteht. Recht Maaß,
rechte Elle, recht Gewicht. Sey nicht ſolch
ein Ehrenſchaͤnder, als ein junger Candidat,
der vor acht Tagen bey uns war, welcherley
es viel giebt unter den Deutſchgelehrten. Der
heilige Paul, der heilige Peter! O du hoͤl-
zerner Peter du! Peter und Paul ohn us iſt
nicht Petrus und Paulus. Dein Vater ſelbſt,
der in ſolchen Dingen, wie du weißt, kein
Zelot’ iſt, und ſeinen Schlagbaum manchem
oͤfnet, wobey ich halt rufe, aͤrgerte ſich die-
ſes Candidaten mit hinten geſteckten Locken.
Du in dich ſelbſt verliebter Narciß, der du
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/404>, abgerufen am 22.11.2024.
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