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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Uebergang von der Geschichte des eben Ver-
storbenen zu dem Herzen des Sargtischlers. --
Dieser Weg, dacht' ich, muß sehr gerade ge-
hen. Der junge Mensch, fiel der Graf ein,
hat ein Mädchen, die ihm seine Eltern verwei-
gern, weil sie reich sind. Ihre Eltern sind
reicher, als wir alle -- -- sie sind todt. --
Er hat nicht nöthig, in meiner Werkstube zu
seyn; allein er arbeitet für Protektion, er
glaubt, mein Fürwort könnte hinreichend seyn,
seine Eltern zu bequemen -- und wenn das
nicht, fuhr ich fort, so haben der Herr Graf
Mittel und Wege, das arme Mädchen zu be-
reichern, und hier gleich und gleich zu machen.
Ha, dacht' ich, das ist für deine Kälte, Hoch-
gebohrner Herr. Anwendung für Anwen-
dung. Schon recht, junger Mann, erwieder-
te der Graf, allein wenn ich die Vorurtheile
der Eltern befriedigen solte, hätt ich denn für
die Einigkeit gesäet? Wahrlich ich hätt' auf
Fleisch und nicht auf den Geist gesäet -- und
am Ende, wenn ich jedes Mädchen bereichern
solte? -- Ich ärgerte mich, und vorzüglich,
weil der Mann bey seiner Todeskälte wieder
Recht hatte. So ist, glaub' ich, das Recht
überall. Man faßt Eis, man faßt den Tod
an, nicht das rechte Recht ist so kalt, sondern

das

Uebergang von der Geſchichte des eben Ver-
ſtorbenen zu dem Herzen des Sargtiſchlers. —
Dieſer Weg, dacht’ ich, muß ſehr gerade ge-
hen. Der junge Menſch, fiel der Graf ein,
hat ein Maͤdchen, die ihm ſeine Eltern verwei-
gern, weil ſie reich ſind. Ihre Eltern ſind
reicher, als wir alle — — ſie ſind todt. —
Er hat nicht noͤthig, in meiner Werkſtube zu
ſeyn; allein er arbeitet fuͤr Protektion, er
glaubt, mein Fuͤrwort koͤnnte hinreichend ſeyn,
ſeine Eltern zu bequemen — und wenn das
nicht, fuhr ich fort, ſo haben der Herr Graf
Mittel und Wege, das arme Maͤdchen zu be-
reichern, und hier gleich und gleich zu machen.
Ha, dacht’ ich, das iſt fuͤr deine Kaͤlte, Hoch-
gebohrner Herr. Anwendung fuͤr Anwen-
dung. Schon recht, junger Mann, erwieder-
te der Graf, allein wenn ich die Vorurtheile
der Eltern befriedigen ſolte, haͤtt ich denn fuͤr
die Einigkeit geſaͤet? Wahrlich ich haͤtt’ auf
Fleiſch und nicht auf den Geiſt geſaͤet — und
am Ende, wenn ich jedes Maͤdchen bereichern
ſolte? — Ich aͤrgerte mich, und vorzuͤglich,
weil der Mann bey ſeiner Todeskaͤlte wieder
Recht hatte. So iſt, glaub’ ich, das Recht
uͤberall. Man faßt Eis, man faßt den Tod
an, nicht das rechte Recht iſt ſo kalt, ſondern

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[26/0032] Uebergang von der Geſchichte des eben Ver- ſtorbenen zu dem Herzen des Sargtiſchlers. — Dieſer Weg, dacht’ ich, muß ſehr gerade ge- hen. Der junge Menſch, fiel der Graf ein, hat ein Maͤdchen, die ihm ſeine Eltern verwei- gern, weil ſie reich ſind. Ihre Eltern ſind reicher, als wir alle — — ſie ſind todt. — Er hat nicht noͤthig, in meiner Werkſtube zu ſeyn; allein er arbeitet fuͤr Protektion, er glaubt, mein Fuͤrwort koͤnnte hinreichend ſeyn, ſeine Eltern zu bequemen — und wenn das nicht, fuhr ich fort, ſo haben der Herr Graf Mittel und Wege, das arme Maͤdchen zu be- reichern, und hier gleich und gleich zu machen. Ha, dacht’ ich, das iſt fuͤr deine Kaͤlte, Hoch- gebohrner Herr. Anwendung fuͤr Anwen- dung. Schon recht, junger Mann, erwieder- te der Graf, allein wenn ich die Vorurtheile der Eltern befriedigen ſolte, haͤtt ich denn fuͤr die Einigkeit geſaͤet? Wahrlich ich haͤtt’ auf Fleiſch und nicht auf den Geiſt geſaͤet — und am Ende, wenn ich jedes Maͤdchen bereichern ſolte? — Ich aͤrgerte mich, und vorzuͤglich, weil der Mann bey ſeiner Todeskaͤlte wieder Recht hatte. So iſt, glaub’ ich, das Recht uͤberall. Man faßt Eis, man faßt den Tod an, nicht das rechte Recht iſt ſo kalt, ſondern das

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/32>, abgerufen am 29.03.2024.