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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Todtengräber des Rosgärtschen Kirchhofs,
oder Gottes Gärtnierer, in dem Sinn, wie
der Prediger des Orts Gottes Diener ist, be-
gegnen würde. Ich war verbunden, ihm
Minens Grabmal zurück zu treuen Händen
zu liefern, und mich mit ihm, neben dem Dank
für dieses Begräbnis der Einbildung, auf
eine würklich fühlbare Art abzufinden, des
Canons ungerechnet, den ich ihm, so oft ich
ihm begegnet, abzutragen für Pflicht gehal-
ten. Ich klopfte an sein Fenster. Gleich,
war seine Antwort, und da stand er auch mit
seinem Spies in der Hand, das er lächelnd
ansahe, nachdem er mich gewahr ward. Er
war es nicht gewohnt, daß ich ihn auf diese
Art aufrief; Sich zu begegnen war einge-
führt. Hier, fieng ich an, lieber Freund, geb
ich dies Grab frey von aller Einbildung, die
bis jezt darauf haftete, zurück. Die Gebeine
des guten Paares, das in dieser Welt, des
Ja und Amens unerachtet, nicht zusammen
kommen konnte, das an der Liebe starb --
mögen wohl ruhen! Ich ziehe mit meiner
Todten von dannen, die dies Grab, so lange
ich sie hier beygesetzt, nicht beunruhiget hat.
Mein Begräbnis war geistisch gerichtet. Da
wolt' ich wetten, sagte der Todtengräber, und

stützte

Todtengraͤber des Rosgaͤrtſchen Kirchhofs,
oder Gottes Gaͤrtnierer, in dem Sinn, wie
der Prediger des Orts Gottes Diener iſt, be-
gegnen wuͤrde. Ich war verbunden, ihm
Minens Grabmal zuruͤck zu treuen Haͤnden
zu liefern, und mich mit ihm, neben dem Dank
fuͤr dieſes Begraͤbnis der Einbildung, auf
eine wuͤrklich fuͤhlbare Art abzufinden, des
Canons ungerechnet, den ich ihm, ſo oft ich
ihm begegnet, abzutragen fuͤr Pflicht gehal-
ten. Ich klopfte an ſein Fenſter. Gleich,
war ſeine Antwort, und da ſtand er auch mit
ſeinem Spies in der Hand, das er laͤchelnd
anſahe, nachdem er mich gewahr ward. Er
war es nicht gewohnt, daß ich ihn auf dieſe
Art aufrief; Sich zu begegnen war einge-
fuͤhrt. Hier, fieng ich an, lieber Freund, geb
ich dies Grab frey von aller Einbildung, die
bis jezt darauf haftete, zuruͤck. Die Gebeine
des guten Paares, das in dieſer Welt, des
Ja und Amens unerachtet, nicht zuſammen
kommen konnte, das an der Liebe ſtarb —
moͤgen wohl ruhen! Ich ziehe mit meiner
Todten von dannen, die dies Grab, ſo lange
ich ſie hier beygeſetzt, nicht beunruhiget hat.
Mein Begraͤbnis war geiſtiſch gerichtet. Da
wolt’ ich wetten, ſagte der Todtengraͤber, und

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[278/0284] Todtengraͤber des Rosgaͤrtſchen Kirchhofs, oder Gottes Gaͤrtnierer, in dem Sinn, wie der Prediger des Orts Gottes Diener iſt, be- gegnen wuͤrde. Ich war verbunden, ihm Minens Grabmal zuruͤck zu treuen Haͤnden zu liefern, und mich mit ihm, neben dem Dank fuͤr dieſes Begraͤbnis der Einbildung, auf eine wuͤrklich fuͤhlbare Art abzufinden, des Canons ungerechnet, den ich ihm, ſo oft ich ihm begegnet, abzutragen fuͤr Pflicht gehal- ten. Ich klopfte an ſein Fenſter. Gleich, war ſeine Antwort, und da ſtand er auch mit ſeinem Spies in der Hand, das er laͤchelnd anſahe, nachdem er mich gewahr ward. Er war es nicht gewohnt, daß ich ihn auf dieſe Art aufrief; Sich zu begegnen war einge- fuͤhrt. Hier, fieng ich an, lieber Freund, geb ich dies Grab frey von aller Einbildung, die bis jezt darauf haftete, zuruͤck. Die Gebeine des guten Paares, das in dieſer Welt, des Ja und Amens unerachtet, nicht zuſammen kommen konnte, das an der Liebe ſtarb — moͤgen wohl ruhen! Ich ziehe mit meiner Todten von dannen, die dies Grab, ſo lange ich ſie hier beygeſetzt, nicht beunruhiget hat. Mein Begraͤbnis war geiſtiſch gerichtet. Da wolt’ ich wetten, ſagte der Todtengraͤber, und ſtuͤtzte

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/284>, abgerufen am 18.05.2024.