Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn man sich acht Tage so auf dem Dach
ist, als ich dem guten Prediger, hat man sich
weg. -- Die Bücher sind Lexica nach Be-
schaffenheit der Umstände, Real oder Verbal.
Mehr kann ich ihnen nicht zustehen. Mensch
lerne dich! Welch ein großes Wort, sagten wir
beyde, der Dekanus, der die vorige Nacht
Grosvater geworden war, und ich, der ich
nicht vielweniger, Student werden sollte.
Wahrlich! ein großes Wort! -- allein welch
ein schweres Wort zugleich! Der Vater lernt
sich erst in seinem Sohn kennen. Niemand
will in sich hinein: ausser sich herumzuschwei-
fen, hat der Mensch eine so eingefleischte Lust,
daß er gern unstät und flüchtig ist. Sein eig-
nes Haus brennt dem Menschen übern Kopf,
er fürchtet, in sich herein zu blicken, wie Kin-
der, in einem Zimmer allein zu schlafen. Dar-
um die Geselligkeit. -- Wenn ich an diese
güldne Regel komme: Mensch lerne dich,
bin ich in meiner Heimath. Die Theologen
nennen das Selbstverleugnung, was würk-
lich ein großer Theil von Selbstkenntnis
ist. Man muß sich absterben, um sich aus
den Todten hervorgehen zu sehen, und
solch ein Erstandner, das bist du Selbstken-
ner! --

Es
B

Wenn man ſich acht Tage ſo auf dem Dach
iſt, als ich dem guten Prediger, hat man ſich
weg. — Die Buͤcher ſind Lexica nach Be-
ſchaffenheit der Umſtaͤnde, Real oder Verbal.
Mehr kann ich ihnen nicht zuſtehen. Menſch
lerne dich! Welch ein großes Wort, ſagten wir
beyde, der Dekanus, der die vorige Nacht
Grosvater geworden war, und ich, der ich
nicht vielweniger, Student werden ſollte.
Wahrlich! ein großes Wort! — allein welch
ein ſchweres Wort zugleich! Der Vater lernt
ſich erſt in ſeinem Sohn kennen. Niemand
will in ſich hinein: auſſer ſich herumzuſchwei-
fen, hat der Menſch eine ſo eingefleiſchte Luſt,
daß er gern unſtaͤt und fluͤchtig iſt. Sein eig-
nes Haus brennt dem Menſchen uͤbern Kopf,
er fuͤrchtet, in ſich herein zu blicken, wie Kin-
der, in einem Zimmer allein zu ſchlafen. Dar-
um die Geſelligkeit. — Wenn ich an dieſe
guͤldne Regel komme: Menſch lerne dich,
bin ich in meiner Heimath. Die Theologen
nennen das Selbſtverleugnung, was wuͤrk-
lich ein großer Theil von Selbſtkenntnis
iſt. Man muß ſich abſterben, um ſich aus
den Todten hervorgehen zu ſehen, und
ſolch ein Erſtandner, das biſt du Selbſtken-
ner! —

Es
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023" n="17"/>
        <p>Wenn man &#x017F;ich acht Tage &#x017F;o auf dem Dach<lb/>
i&#x017F;t, als ich dem guten Prediger, hat man &#x017F;ich<lb/>
weg. &#x2014; Die Bu&#x0364;cher &#x017F;ind Lexica nach Be-<lb/>
&#x017F;chaffenheit der Um&#x017F;ta&#x0364;nde, Real oder Verbal.<lb/>
Mehr kann ich ihnen nicht zu&#x017F;tehen. Men&#x017F;ch<lb/>
lerne dich! Welch ein großes Wort, &#x017F;agten wir<lb/>
beyde, der Dekanus, der die vorige Nacht<lb/>
Grosvater geworden war, und ich, der ich<lb/>
nicht vielweniger, Student werden &#x017F;ollte.<lb/>
Wahrlich! ein großes Wort! &#x2014; allein welch<lb/>
ein &#x017F;chweres Wort zugleich! Der Vater lernt<lb/>
&#x017F;ich er&#x017F;t in &#x017F;einem Sohn kennen. Niemand<lb/>
will in &#x017F;ich hinein: au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich herumzu&#x017F;chwei-<lb/>
fen, hat der Men&#x017F;ch eine &#x017F;o eingeflei&#x017F;chte Lu&#x017F;t,<lb/>
daß er gern un&#x017F;ta&#x0364;t und flu&#x0364;chtig i&#x017F;t. Sein eig-<lb/>
nes Haus brennt dem Men&#x017F;chen u&#x0364;bern Kopf,<lb/>
er fu&#x0364;rchtet, in &#x017F;ich herein zu blicken, wie Kin-<lb/>
der, in einem Zimmer allein zu &#x017F;chlafen. Dar-<lb/>
um die Ge&#x017F;elligkeit. &#x2014; Wenn ich an die&#x017F;e<lb/>
gu&#x0364;ldne Regel komme: <hi rendition="#fr">Men&#x017F;ch lerne dich,</hi><lb/>
bin ich in meiner Heimath. Die Theologen<lb/>
nennen das Selb&#x017F;tverleugnung, was wu&#x0364;rk-<lb/>
lich ein großer Theil von Selb&#x017F;tkenntnis<lb/>
i&#x017F;t. Man muß &#x017F;ich ab&#x017F;terben, um &#x017F;ich aus<lb/>
den Todten hervorgehen zu &#x017F;ehen, und<lb/>
&#x017F;olch ein Er&#x017F;tandner, das bi&#x017F;t du Selb&#x017F;tken-<lb/>
ner! &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">B</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0023] Wenn man ſich acht Tage ſo auf dem Dach iſt, als ich dem guten Prediger, hat man ſich weg. — Die Buͤcher ſind Lexica nach Be- ſchaffenheit der Umſtaͤnde, Real oder Verbal. Mehr kann ich ihnen nicht zuſtehen. Menſch lerne dich! Welch ein großes Wort, ſagten wir beyde, der Dekanus, der die vorige Nacht Grosvater geworden war, und ich, der ich nicht vielweniger, Student werden ſollte. Wahrlich! ein großes Wort! — allein welch ein ſchweres Wort zugleich! Der Vater lernt ſich erſt in ſeinem Sohn kennen. Niemand will in ſich hinein: auſſer ſich herumzuſchwei- fen, hat der Menſch eine ſo eingefleiſchte Luſt, daß er gern unſtaͤt und fluͤchtig iſt. Sein eig- nes Haus brennt dem Menſchen uͤbern Kopf, er fuͤrchtet, in ſich herein zu blicken, wie Kin- der, in einem Zimmer allein zu ſchlafen. Dar- um die Geſelligkeit. — Wenn ich an dieſe guͤldne Regel komme: Menſch lerne dich, bin ich in meiner Heimath. Die Theologen nennen das Selbſtverleugnung, was wuͤrk- lich ein großer Theil von Selbſtkenntnis iſt. Man muß ſich abſterben, um ſich aus den Todten hervorgehen zu ſehen, und ſolch ein Erſtandner, das biſt du Selbſtken- ner! — Es B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/23
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/23>, abgerufen am 23.11.2024.