Der Tod hebt diese Uebel und schlägt diese Le- bensfeinde in die Flucht. Der Held! Wenn dir keine böse Handlung in der Brust sticht, sey unbekümmert, warum willst du fürchten, was so und anders seyn kann? Die Brami- nen sehen auf die Nase, und weissagen. Wenn man lange auf einen Punkt sieht, ists einem so, als sähe man nichts. Seht auf das Un- recht, das man euch in der Welt thut, auf den Acker, den euch der reiche Nachbar ab- grenzte, auf eine Bathseba, um die euch ein Wollüstling betrog, auf die zwanzig, die euch ein Verschwender von euren Hundert in sei- nem Concurs darreichte. -- Braucht ihr mehr, um gern zu sterben? --
Suche, Freund, ein gut Gewissen zu be- halten, beydes gegen Gott und den Menschen, und wahrlich ich sage dir, du wirst selig ster- ben, auch ruhig, wenn dir das Leben es zu- läßt. Es wird wohl so gut seyn. -- Ein gut Gewissen ist ein probates schlafbeförderndes Mittel. Das Gegenwärtige hat seinen un- leugbaren Reiz; denn es ist Etwas gewisses. Da aber das unsichere Gegenwärtige kaum der Rede werth ist, was thut denn die Gewis- heit dazu? Die Alten brauchten den Tod zur Aufmunterung. Es sollte noch auf allen
Grab-
M 5
Der Tod hebt dieſe Uebel und ſchlaͤgt dieſe Le- bensfeinde in die Flucht. Der Held! Wenn dir keine boͤſe Handlung in der Bruſt ſticht, ſey unbekuͤmmert, warum willſt du fuͤrchten, was ſo und anders ſeyn kann? Die Brami- nen ſehen auf die Naſe, und weiſſagen. Wenn man lange auf einen Punkt ſieht, iſts einem ſo, als ſaͤhe man nichts. Seht auf das Un- recht, das man euch in der Welt thut, auf den Acker, den euch der reiche Nachbar ab- grenzte, auf eine Bathſeba, um die euch ein Wolluͤſtling betrog, auf die zwanzig, die euch ein Verſchwender von euren Hundert in ſei- nem Concurs darreichte. — Braucht ihr mehr, um gern zu ſterben? —
Suche, Freund, ein gut Gewiſſen zu be- halten, beydes gegen Gott und den Menſchen, und wahrlich ich ſage dir, du wirſt ſelig ſter- ben, auch ruhig, wenn dir das Leben es zu- laͤßt. Es wird wohl ſo gut ſeyn. — Ein gut Gewiſſen iſt ein probates ſchlafbefoͤrderndes Mittel. Das Gegenwaͤrtige hat ſeinen un- leugbaren Reiz; denn es iſt Etwas gewiſſes. Da aber das unſichere Gegenwaͤrtige kaum der Rede werth iſt, was thut denn die Gewis- heit dazu? Die Alten brauchten den Tod zur Aufmunterung. Es ſollte noch auf allen
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Der Tod hebt dieſe Uebel und ſchlaͤgt dieſe Le-
bensfeinde in die Flucht. Der Held! Wenn
dir keine boͤſe Handlung in der Bruſt ſticht,
ſey unbekuͤmmert, warum willſt du fuͤrchten,
was ſo und anders ſeyn kann? Die Brami-
nen ſehen auf die Naſe, und weiſſagen. Wenn
man lange auf einen Punkt ſieht, iſts einem
ſo, als ſaͤhe man nichts. Seht auf das Un-
recht, das man euch in der Welt thut, auf
den Acker, den euch der reiche Nachbar ab-
grenzte, auf eine Bathſeba, um die euch ein
Wolluͤſtling betrog, auf die zwanzig, die euch
ein Verſchwender von euren Hundert in ſei-
nem Concurs darreichte. — Braucht ihr
mehr, um gern zu ſterben? —
Suche, Freund, ein gut Gewiſſen zu be-
halten, beydes gegen Gott und den Menſchen,
und wahrlich ich ſage dir, du wirſt ſelig ſter-
ben, auch ruhig, wenn dir das Leben es zu-
laͤßt. Es wird wohl ſo gut ſeyn. — Ein gut
Gewiſſen iſt ein probates ſchlafbefoͤrderndes
Mittel. Das Gegenwaͤrtige hat ſeinen un-
leugbaren Reiz; denn es iſt Etwas gewiſſes.
Da aber das unſichere Gegenwaͤrtige kaum
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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