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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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wäre. Doch Krankheit kann ichs nicht nen-
nen, was mich niederriß. Was es war, weiß
ich nicht; der Pastor -- -- in L-- meynte,
daß dieses Uebel gerades Weges vom inwen-
digen Menschen, von der Seele herkäme,
welche kein Arzt tödten, allein auch nicht hei-
len könnte. Er rechnete diese Krankheit zu
den Lindenkrankheiten, die oft gefährlicher,
oft leichter, als die Leibesgebrechen sind.
Recepte, Schlagwasserdöschens -- meynt' er,
wären hiebey nicht anzuwenden. - Hier ist
Gott allein der Arzt, und sein heiliges Wort
Medicin. -- Zur Bewegung wäre am Früh-
lings Morgen eine sanfte Flur vorzuschlagen;
der Waldgeruch sey schon zu stark und greife
solche einen Kopf an. Das, sagte der Predi-
ger, ist die Art der Seelenkrankheiten. --
Unsere Aerzte curiren oft den Körper, wenn
die Seele leidet. -- Körperkrankheiten pfle-
gen nicht den Kopf vorbeyzugehen, sondern
ihm die Ehre zu thun, von ihm auszuziehen
in den ganzen Körper weit und breit. -- --

Der gute Pastor! Ich seh' ihn noch wie
bekümmert er war! Es überfiel mich mit ei-
ner Ohnmacht. Der Graf schien froh zu
seyn, daß es mich so überfiel; natürlich! um
einen Sterbcandidaten mehr zu haben: er

gab

waͤre. Doch Krankheit kann ichs nicht nen-
nen, was mich niederriß. Was es war, weiß
ich nicht; der Paſtor — — in L— meynte,
daß dieſes Uebel gerades Weges vom inwen-
digen Menſchen, von der Seele herkaͤme,
welche kein Arzt toͤdten, allein auch nicht hei-
len koͤnnte. Er rechnete dieſe Krankheit zu
den Lindenkrankheiten, die oft gefaͤhrlicher,
oft leichter, als die Leibesgebrechen ſind.
Recepte, Schlagwaſſerdoͤschens — meynt’ er,
waͤren hiebey nicht anzuwenden. ‒ Hier iſt
Gott allein der Arzt, und ſein heiliges Wort
Medicin. — Zur Bewegung waͤre am Fruͤh-
lings Morgen eine ſanfte Flur vorzuſchlagen;
der Waldgeruch ſey ſchon zu ſtark und greife
ſolche einen Kopf an. Das, ſagte der Predi-
ger, iſt die Art der Seelenkrankheiten. —
Unſere Aerzte curiren oft den Koͤrper, wenn
die Seele leidet. — Koͤrperkrankheiten pfle-
gen nicht den Kopf vorbeyzugehen, ſondern
ihm die Ehre zu thun, von ihm auszuziehen
in den ganzen Koͤrper weit und breit. — —

Der gute Paſtor! Ich ſeh’ ihn noch wie
bekuͤmmert er war! Es uͤberfiel mich mit ei-
ner Ohnmacht. Der Graf ſchien froh zu
ſeyn, daß es mich ſo uͤberfiel; natuͤrlich! um
einen Sterbcandidaten mehr zu haben: er

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[141/0147] waͤre. Doch Krankheit kann ichs nicht nen- nen, was mich niederriß. Was es war, weiß ich nicht; der Paſtor — — in L— meynte, daß dieſes Uebel gerades Weges vom inwen- digen Menſchen, von der Seele herkaͤme, welche kein Arzt toͤdten, allein auch nicht hei- len koͤnnte. Er rechnete dieſe Krankheit zu den Lindenkrankheiten, die oft gefaͤhrlicher, oft leichter, als die Leibesgebrechen ſind. Recepte, Schlagwaſſerdoͤschens — meynt’ er, waͤren hiebey nicht anzuwenden. ‒ Hier iſt Gott allein der Arzt, und ſein heiliges Wort Medicin. — Zur Bewegung waͤre am Fruͤh- lings Morgen eine ſanfte Flur vorzuſchlagen; der Waldgeruch ſey ſchon zu ſtark und greife ſolche einen Kopf an. Das, ſagte der Predi- ger, iſt die Art der Seelenkrankheiten. — Unſere Aerzte curiren oft den Koͤrper, wenn die Seele leidet. — Koͤrperkrankheiten pfle- gen nicht den Kopf vorbeyzugehen, ſondern ihm die Ehre zu thun, von ihm auszuziehen in den ganzen Koͤrper weit und breit. — — Der gute Paſtor! Ich ſeh’ ihn noch wie bekuͤmmert er war! Es uͤberfiel mich mit ei- ner Ohnmacht. Der Graf ſchien froh zu ſeyn, daß es mich ſo uͤberfiel; natuͤrlich! um einen Sterbcandidaten mehr zu haben: er gab

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/147>, abgerufen am 27.11.2024.