Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

mahlen den Zins im Guten und Bösen
verlangt, und ist nicht abzusehen, warum
er so schnell seine Gesinnungen ändern
sollen. Es ist unter dem vorschrifts-
mäßig schriftlich errichteten Miethscon-
trakt diese Schenkung mit keiner Sylbe
bemerkt; vielmehr findet sich weder hin-
ter dem Miethscontrakt, noch sonst wo,
eine Quittung wegen des angeblich ver-
schenkten Zinses. Niemand hat die
Schenkung entgegen genommen, und
können die vorgeschützten Worte: "die
"diesjährigen Michaeliszinsen
"zum heiligen Christ für ihr
"jüngstes
" wenn sie würklich vorge-
fallen, auf verschiedene andre Weise ge-
lenkt und ausgelegt werden: zu ge-
schweigen, daß kein deutlicher Sinn her-
auszubringen, und daß das Hauptwort
Schenkung gänzlich fehlt. Der so plötz-
lich darauf erfolgte Tod läßt vielmehr
vermuthen, daß wenn Defunktus sich
ja würklich (welches doch an sich zu be-
zweifeln) dieser Worte bedient, er schon
ohne Bewustseyn gewesen. Defunktus
hat, wie es zugestanden ist, sich jeder-
zeit und auch nur kurz vor seinem Able-

ben

mahlen den Zins im Guten und Boͤſen
verlangt, und iſt nicht abzuſehen, warum
er ſo ſchnell ſeine Geſinnungen aͤndern
ſollen. Es iſt unter dem vorſchrifts-
maͤßig ſchriftlich errichteten Miethscon-
trakt dieſe Schenkung mit keiner Sylbe
bemerkt; vielmehr findet ſich weder hin-
ter dem Miethscontrakt, noch ſonſt wo,
eine Quittung wegen des angeblich ver-
ſchenkten Zinſes. Niemand hat die
Schenkung entgegen genommen, und
koͤnnen die vorgeſchuͤtzten Worte: „die
„diesjaͤhrigen Michaeliszinſen
„zum heiligen Chriſt fuͤr ihr
„juͤngſtes
“ wenn ſie wuͤrklich vorge-
fallen, auf verſchiedene andre Weiſe ge-
lenkt und ausgelegt werden: zu ge-
ſchweigen, daß kein deutlicher Sinn her-
auszubringen, und daß das Hauptwort
Schenkung gaͤnzlich fehlt. Der ſo ploͤtz-
lich darauf erfolgte Tod laͤßt vielmehr
vermuthen, daß wenn Defunktus ſich
ja wuͤrklich (welches doch an ſich zu be-
zweifeln) dieſer Worte bedient, er ſchon
ohne Bewuſtſeyn geweſen. Defunktus
hat, wie es zugeſtanden iſt, ſich jeder-
zeit und auch nur kurz vor ſeinem Able-

ben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0134" n="128"/> <hi rendition="#fr">mahlen den Zins im Guten und Bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
verlangt, und i&#x017F;t nicht abzu&#x017F;ehen, warum<lb/>
er &#x017F;o &#x017F;chnell &#x017F;eine Ge&#x017F;innungen a&#x0364;ndern<lb/>
&#x017F;ollen. Es i&#x017F;t unter dem vor&#x017F;chrifts-<lb/>
ma&#x0364;ßig &#x017F;chriftlich errichteten Miethscon-<lb/>
trakt die&#x017F;e Schenkung mit keiner Sylbe<lb/>
bemerkt; vielmehr findet &#x017F;ich weder hin-<lb/>
ter dem Miethscontrakt, noch &#x017F;on&#x017F;t wo,<lb/>
eine Quittung wegen des angeblich ver-<lb/>
&#x017F;chenkten Zin&#x017F;es. Niemand hat die<lb/>
Schenkung entgegen genommen, und<lb/>
ko&#x0364;nnen die vorge&#x017F;chu&#x0364;tzten Worte: &#x201E;<hi rendition="#g">die<lb/>
&#x201E;diesja&#x0364;hrigen Michaeliszin&#x017F;en<lb/>
&#x201E;zum heiligen Chri&#x017F;t fu&#x0364;r ihr<lb/>
&#x201E;ju&#x0364;ng&#x017F;tes</hi>&#x201C; wenn &#x017F;ie wu&#x0364;rklich vorge-<lb/>
fallen, auf ver&#x017F;chiedene andre Wei&#x017F;e ge-<lb/>
lenkt und ausgelegt werden: zu ge-<lb/>
&#x017F;chweigen, daß kein deutlicher Sinn her-<lb/>
auszubringen, und daß das Hauptwort<lb/>
Schenkung ga&#x0364;nzlich fehlt. Der &#x017F;o plo&#x0364;tz-<lb/>
lich darauf erfolgte Tod la&#x0364;ßt vielmehr<lb/>
vermuthen, daß wenn Defunktus &#x017F;ich<lb/>
ja wu&#x0364;rklich (welches doch an &#x017F;ich zu be-<lb/>
zweifeln) die&#x017F;er Worte bedient, er &#x017F;chon<lb/>
ohne Bewu&#x017F;t&#x017F;eyn gewe&#x017F;en. Defunktus<lb/>
hat, wie es zuge&#x017F;tanden i&#x017F;t, &#x017F;ich jeder-<lb/>
zeit und auch nur kurz vor &#x017F;einem Able-</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">ben</hi> </fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0134] mahlen den Zins im Guten und Boͤſen verlangt, und iſt nicht abzuſehen, warum er ſo ſchnell ſeine Geſinnungen aͤndern ſollen. Es iſt unter dem vorſchrifts- maͤßig ſchriftlich errichteten Miethscon- trakt dieſe Schenkung mit keiner Sylbe bemerkt; vielmehr findet ſich weder hin- ter dem Miethscontrakt, noch ſonſt wo, eine Quittung wegen des angeblich ver- ſchenkten Zinſes. Niemand hat die Schenkung entgegen genommen, und koͤnnen die vorgeſchuͤtzten Worte: „die „diesjaͤhrigen Michaeliszinſen „zum heiligen Chriſt fuͤr ihr „juͤngſtes“ wenn ſie wuͤrklich vorge- fallen, auf verſchiedene andre Weiſe ge- lenkt und ausgelegt werden: zu ge- ſchweigen, daß kein deutlicher Sinn her- auszubringen, und daß das Hauptwort Schenkung gaͤnzlich fehlt. Der ſo ploͤtz- lich darauf erfolgte Tod laͤßt vielmehr vermuthen, daß wenn Defunktus ſich ja wuͤrklich (welches doch an ſich zu be- zweifeln) dieſer Worte bedient, er ſchon ohne Bewuſtſeyn geweſen. Defunktus hat, wie es zugeſtanden iſt, ſich jeder- zeit und auch nur kurz vor ſeinem Able- ben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/134
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/134>, abgerufen am 06.05.2024.