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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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fand ihren Mann nicht mehr. Sein Auszug
hatte keine Stunde erfordert. Ein jämmer-
liches Bette, mehr war nichts nehmens werth,
und eben dies fehlende Bette zeigte seine Ent-
fernung an. Sie warf sich auf die wüste
Stäte, wo sein Bette gestanden, nieder und
wollte beten; da ihre Thür aufgieng und eine
weibliche Gestalt erschien. So trug der En-
gel dem Elisa Essen, wie diese Gestalt ein in
weißen Tuche verknüpftes -- Wer? Wie?
Wo? Weg war die Trägerin. Die Beterin
lösete auf, fand das Geld für den Bösewicht,
und noch drüber. -- Da blinkerte der Blick
vor ihren Augen, der ihr in der heiligen Geist-
straße in die Seele strahlte. -- Diesen Abend
dankte sie Gott, den folgenden wollte sie ih-
ren Errettern in der heiligen Geiststraße dan-
ken; allein sie fand Niemanden im Hause.
Die Nachbaren versicherten, daß die gewese-
nen Einwohner über Land gezogen, wohin
wüßten sie nicht. Sie habens im Himmel zu
gut, liebe Freundin. (Bald hätte der Graf
Schwester gesagt, das war sie noch nicht.)
Wehe der Stadt, die solche Leute verlaßen!
Ich dachte an Lot und seine Familie, fuhr
die Curländerin fort. -- -- Doch warum
diese Weitläuftigkeit in wörtlicher Nacherzäh-

lung?

fand ihren Mann nicht mehr. Sein Auszug
hatte keine Stunde erfordert. Ein jaͤmmer-
liches Bette, mehr war nichts nehmens werth,
und eben dies fehlende Bette zeigte ſeine Ent-
fernung an. Sie warf ſich auf die wuͤſte
Staͤte, wo ſein Bette geſtanden, nieder und
wollte beten; da ihre Thuͤr aufgieng und eine
weibliche Geſtalt erſchien. So trug der En-
gel dem Eliſa Eſſen, wie dieſe Geſtalt ein in
weißen Tuche verknuͤpftes — Wer? Wie?
Wo? Weg war die Traͤgerin. Die Beterin
loͤſete auf, fand das Geld fuͤr den Boͤſewicht,
und noch druͤber. — Da blinkerte der Blick
vor ihren Augen, der ihr in der heiligen Geiſt-
ſtraße in die Seele ſtrahlte. — Dieſen Abend
dankte ſie Gott, den folgenden wollte ſie ih-
ren Errettern in der heiligen Geiſtſtraße dan-
ken; allein ſie fand Niemanden im Hauſe.
Die Nachbaren verſicherten, daß die geweſe-
nen Einwohner uͤber Land gezogen, wohin
wuͤßten ſie nicht. Sie habens im Himmel zu
gut, liebe Freundin. (Bald haͤtte der Graf
Schweſter geſagt, das war ſie noch nicht.)
Wehe der Stadt, die ſolche Leute verlaßen!
Ich dachte an Lot und ſeine Familie, fuhr
die Curlaͤnderin fort. — — Doch warum
dieſe Weitlaͤuftigkeit in woͤrtlicher Nacherzaͤh-

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[123/0129] fand ihren Mann nicht mehr. Sein Auszug hatte keine Stunde erfordert. Ein jaͤmmer- liches Bette, mehr war nichts nehmens werth, und eben dies fehlende Bette zeigte ſeine Ent- fernung an. Sie warf ſich auf die wuͤſte Staͤte, wo ſein Bette geſtanden, nieder und wollte beten; da ihre Thuͤr aufgieng und eine weibliche Geſtalt erſchien. So trug der En- gel dem Eliſa Eſſen, wie dieſe Geſtalt ein in weißen Tuche verknuͤpftes — Wer? Wie? Wo? Weg war die Traͤgerin. Die Beterin loͤſete auf, fand das Geld fuͤr den Boͤſewicht, und noch druͤber. — Da blinkerte der Blick vor ihren Augen, der ihr in der heiligen Geiſt- ſtraße in die Seele ſtrahlte. — Dieſen Abend dankte ſie Gott, den folgenden wollte ſie ih- ren Errettern in der heiligen Geiſtſtraße dan- ken; allein ſie fand Niemanden im Hauſe. Die Nachbaren verſicherten, daß die geweſe- nen Einwohner uͤber Land gezogen, wohin wuͤßten ſie nicht. Sie habens im Himmel zu gut, liebe Freundin. (Bald haͤtte der Graf Schweſter geſagt, das war ſie noch nicht.) Wehe der Stadt, die ſolche Leute verlaßen! Ich dachte an Lot und ſeine Familie, fuhr die Curlaͤnderin fort. — — Doch warum dieſe Weitlaͤuftigkeit in woͤrtlicher Nacherzaͤh- lung?

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/129>, abgerufen am 23.11.2024.