Freund! erwiederte der Graf, die heftige Freude kann eher, wie heftige Traurigkeit, tödten. Die heftige Freude hat sehr was wi- derliches an sich. Fast wolt' ich behaupten, es ist noch Niemand aus Traurigkeit gestor- ben, wohl aber aus Freude. Nicht, weil die Traurigkeit dem Menschen eigener, als die Freude ist, obgleich dieser Umstand uns eben nicht aus dem Wege liegen würde; sondern weil der Mensch bey der Traurigkeit auf sei- ner Hut ist, die ganze Wache ins Gewehr ruft, alle Macht und Kraft aufbietet, und: macht Euch fertig! schreyt. Bey der Freude überläßt sich der Mensch sich selbst, es geht mit ihm rips raps, holter polter, über und über, und dies Freuden-Wirrwarr, wie leicht kann es dem Menschen eins versetzen! Ein aus sich versetzter Mensch ist todt. -- Große Lustigkeit und tiefster schmerzhafter Un- wille sind sich so nah, daß sie sich in die Fen- ster sehen können. Fast wollt' ich sagen, ein heftig Lustiger sey eben so gefährlich unwillig im Sinn, wie man gefährlich Kranke hat, die sehr gesund aussehen. --
Diagoras freute sich über seine drey Söh- ne, weil sie alle drey den Preis der Academie der Wißenschaften erhalten, fieng ich an. --
Laßen
Freund! erwiederte der Graf, die heftige Freude kann eher, wie heftige Traurigkeit, toͤdten. Die heftige Freude hat ſehr was wi- derliches an ſich. Faſt wolt’ ich behaupten, es iſt noch Niemand aus Traurigkeit geſtor- ben, wohl aber aus Freude. Nicht, weil die Traurigkeit dem Menſchen eigener, als die Freude iſt, obgleich dieſer Umſtand uns eben nicht aus dem Wege liegen wuͤrde; ſondern weil der Menſch bey der Traurigkeit auf ſei- ner Hut iſt, die ganze Wache ins Gewehr ruft, alle Macht und Kraft aufbietet, und: macht Euch fertig! ſchreyt. Bey der Freude uͤberlaͤßt ſich der Menſch ſich ſelbſt, es geht mit ihm rips raps, holter polter, uͤber und uͤber, und dies Freuden-Wirrwarr, wie leicht kann es dem Menſchen eins verſetzen! Ein aus ſich verſetzter Menſch iſt todt. — Große Luſtigkeit und tiefſter ſchmerzhafter Un- wille ſind ſich ſo nah, daß ſie ſich in die Fen- ſter ſehen koͤnnen. Faſt wollt’ ich ſagen, ein heftig Luſtiger ſey eben ſo gefaͤhrlich unwillig im Sinn, wie man gefaͤhrlich Kranke hat, die ſehr geſund ausſehen. —
Diagoras freute ſich uͤber ſeine drey Soͤh- ne, weil ſie alle drey den Preis der Academie der Wißenſchaften erhalten, fieng ich an. —
Laßen
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Freund! erwiederte der Graf, die heftige
Freude kann eher, wie heftige Traurigkeit,
toͤdten. Die heftige Freude hat ſehr was wi-
derliches an ſich. Faſt wolt’ ich behaupten,
es iſt noch Niemand aus Traurigkeit geſtor-
ben, wohl aber aus Freude. Nicht, weil die
Traurigkeit dem Menſchen eigener, als die
Freude iſt, obgleich dieſer Umſtand uns eben
nicht aus dem Wege liegen wuͤrde; ſondern
weil der Menſch bey der Traurigkeit auf ſei-
ner Hut iſt, die ganze Wache ins Gewehr
ruft, alle Macht und Kraft aufbietet, und:
macht Euch fertig! ſchreyt. Bey der Freude
uͤberlaͤßt ſich der Menſch ſich ſelbſt, es geht
mit ihm rips raps, holter polter, uͤber und
uͤber, und dies Freuden-Wirrwarr, wie leicht
kann es dem Menſchen eins verſetzen! Ein
aus ſich verſetzter Menſch iſt todt. — Große
Luſtigkeit und tiefſter ſchmerzhafter Un-
wille ſind ſich ſo nah, daß ſie ſich in die Fen-
ſter ſehen koͤnnen. Faſt wollt’ ich ſagen, ein
heftig Luſtiger ſey eben ſo gefaͤhrlich unwillig
im Sinn, wie man gefaͤhrlich Kranke hat, die
ſehr geſund ausſehen. —
Diagoras freute ſich uͤber ſeine drey Soͤh-
ne, weil ſie alle drey den Preis der Academie
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/102>, abgerufen am 23.11.2024.
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