aus ihrer Hand, und dann schmekten sie ihm desto süßer.
Nach dem Auftritt mit dem Herrn v. -- schien Charlott' unserm Bekannten eine Mär- tyrin, und er glaubt', daß diese erhabene Idee seiner Liebe Schaden gethan haben kön- ne. Nachdem ich sie, schreibt er, über- menschlich liebte, schien sich ein gewißes Feuer im Herzen zu legen.
Er gestehet mit allen Merkzeichen einer wahren Reue, die niemand gereuet, daß sein Herz vorzüglich durch die Geschenke sei- nes Principals den ganzen Rest von An- hänglichkeit zu Charlotten verloren. Welch ein Verlust! O Gott, welch ein Verlust! Ich ward wie ein schwankendes Rohr, schreibt er, lange vom Winde hin und her getrieben. Ein Flick Land, und ein blanker Hut mach- ten das Garaus mit mir. Ich balancirte schon zuvor. Dies Flickwerk gab den Aus- schlag. Der gnädige Herr konnte Char- lottens Gutherzigkeit empfinden. Viel vom gnädigen Herrn! Er haßt' und ehrte Char- lotten, wie die Teufel glauben und zittern. Sie hatte seine Beschämung oder Beschimpfung in ihrer Gewalt: allein ihre edle himmlische Seele wußte von keiner Rache. Charlot-
tens
aus ihrer Hand, und dann ſchmekten ſie ihm deſto ſuͤßer.
Nach dem Auftritt mit dem Herrn v. — ſchien Charlott’ unſerm Bekannten eine Maͤr- tyrin, und er glaubt’, daß dieſe erhabene Idee ſeiner Liebe Schaden gethan haben koͤn- ne. Nachdem ich ſie, ſchreibt er, uͤber- menſchlich liebte, ſchien ſich ein gewißes Feuer im Herzen zu legen.
Er geſtehet mit allen Merkzeichen einer wahren Reue, die niemand gereuet, daß ſein Herz vorzuͤglich durch die Geſchenke ſei- nes Principals den ganzen Reſt von An- haͤnglichkeit zu Charlotten verloren. Welch ein Verluſt! O Gott, welch ein Verluſt! Ich ward wie ein ſchwankendes Rohr, ſchreibt er, lange vom Winde hin und her getrieben. Ein Flick Land, und ein blanker Hut mach- ten das Garaus mit mir. Ich balancirte ſchon zuvor. Dies Flickwerk gab den Aus- ſchlag. Der gnaͤdige Herr konnte Char- lottens Gutherzigkeit empfinden. Viel vom gnaͤdigen Herrn! Er haßt’ und ehrte Char- lotten, wie die Teufel glauben und zittern. Sie hatte ſeine Beſchaͤmung oder Beſchimpfung in ihrer Gewalt: allein ihre edle himmliſche Seele wußte von keiner Rache. Charlot-
tens
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aus ihrer Hand, und dann ſchmekten ſie
ihm deſto ſuͤßer.
Nach dem Auftritt mit dem Herrn v. —
ſchien Charlott’ unſerm Bekannten eine Maͤr-
tyrin, und er glaubt’, daß dieſe erhabene
Idee ſeiner Liebe Schaden gethan haben koͤn-
ne. Nachdem ich ſie, ſchreibt er, uͤber-
menſchlich liebte, ſchien ſich ein gewißes
Feuer im Herzen zu legen.
Er geſtehet mit allen Merkzeichen einer
wahren Reue, die niemand gereuet, daß
ſein Herz vorzuͤglich durch die Geſchenke ſei-
nes Principals den ganzen Reſt von An-
haͤnglichkeit zu Charlotten verloren. Welch
ein Verluſt! O Gott, welch ein Verluſt!
Ich ward wie ein ſchwankendes Rohr, ſchreibt
er, lange vom Winde hin und her getrieben.
Ein Flick Land, und ein blanker Hut mach-
ten das Garaus mit mir. Ich balancirte
ſchon zuvor. Dies Flickwerk gab den Aus-
ſchlag. Der gnaͤdige Herr konnte Char-
lottens Gutherzigkeit empfinden. Viel vom
gnaͤdigen Herrn! Er haßt’ und ehrte Char-
lotten, wie die Teufel glauben und zittern.
Sie hatte ſeine Beſchaͤmung oder Beſchimpfung
in ihrer Gewalt: allein ihre edle himmliſche
Seele wußte von keiner Rache. Charlot-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/96>, abgerufen am 23.11.2024.
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