so wie fürs Leben. Wahrlich, es kann nicht schlimm mit dem Tode seyn! Frische Luft und ein Blick in den Mond ist das wenigste -- Wer recht müd' ist, liebe Nachbarn! legt sich lieber, als daß er essen und trinken solte. Der hört die Kugel nicht, den sie trift, der sieht den Blitz nicht, den er erschießt. Ich glaub' es hat noch kein Mensch recht gewust, wenn er stürbe -- Weg sind wir! Der Tod ist, die Sache beym Licht genommen, eben so ein Werk der lieben gütigen Natur, als das Le- ben, und der Schlaf eben so gut, als das Essen. -- Wer nicht schlafen kann, kann auch nicht essen; allein wenn es möglich wäre, daß jemand immer schlafen könnte; so würd' er nicht essen dürfen. --
Wolt ihr die Sach' ins Feine haben, denkt Euch die Jugend als Frühstück, die Jüng- lingsjahre als Mittag, die männlichen als Vesperkost, das Alter als Abendbrod -- Da ließ sich viel, besonders beym Mittag, an- bringen; allein denkt der Sache selber nach -- und fasse jeder in seinen Busen, allwo ich das meiste, was ich gesagt, herausgenom- men. --
Laßt uns, lieben Freunde! nicht zu viel essen, damit wir sanft schlafen können. Man
sitzt
ſo wie fuͤrs Leben. Wahrlich, es kann nicht ſchlimm mit dem Tode ſeyn! Friſche Luft und ein Blick in den Mond iſt das wenigſte — Wer recht muͤd’ iſt, liebe Nachbarn! legt ſich lieber, als daß er eſſen und trinken ſolte. Der hoͤrt die Kugel nicht, den ſie trift, der ſieht den Blitz nicht, den er erſchießt. Ich glaub’ es hat noch kein Menſch recht gewuſt, wenn er ſtuͤrbe — Weg ſind wir! Der Tod iſt, die Sache beym Licht genommen, eben ſo ein Werk der lieben guͤtigen Natur, als das Le- ben, und der Schlaf eben ſo gut, als das Eſſen. — Wer nicht ſchlafen kann, kann auch nicht eſſen; allein wenn es moͤglich waͤre, daß jemand immer ſchlafen koͤnnte; ſo wuͤrd’ er nicht eſſen duͤrfen. —
Wolt ihr die Sach’ ins Feine haben, denkt Euch die Jugend als Fruͤhſtuͤck, die Juͤng- lingsjahre als Mittag, die maͤnnlichen als Veſperkoſt, das Alter als Abendbrod — Da ließ ſich viel, beſonders beym Mittag, an- bringen; allein denkt der Sache ſelber nach — und faſſe jeder in ſeinen Buſen, allwo ich das meiſte, was ich geſagt, herausgenom- men. —
Laßt uns, lieben Freunde! nicht zu viel eſſen, damit wir ſanft ſchlafen koͤnnen. Man
ſitzt
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ſo wie fuͤrs Leben. Wahrlich, es kann nicht
ſchlimm mit dem Tode ſeyn! Friſche Luft und
ein Blick in den Mond iſt das wenigſte —
Wer recht muͤd’ iſt, liebe Nachbarn! legt ſich
lieber, als daß er eſſen und trinken ſolte. Der
hoͤrt die Kugel nicht, den ſie trift, der ſieht
den Blitz nicht, den er erſchießt. Ich glaub’ es
hat noch kein Menſch recht gewuſt, wenn er
ſtuͤrbe — Weg ſind wir! Der Tod iſt, die
Sache beym Licht genommen, eben ſo ein
Werk der lieben guͤtigen Natur, als das Le-
ben, und der Schlaf eben ſo gut, als das
Eſſen. — Wer nicht ſchlafen kann, kann auch
nicht eſſen; allein wenn es moͤglich waͤre, daß
jemand immer ſchlafen koͤnnte; ſo wuͤrd’ er
nicht eſſen duͤrfen. —
Wolt ihr die Sach’ ins Feine haben,
denkt Euch die Jugend als Fruͤhſtuͤck, die Juͤng-
lingsjahre als Mittag, die maͤnnlichen als
Veſperkoſt, das Alter als Abendbrod — Da
ließ ſich viel, beſonders beym Mittag, an-
bringen; allein denkt der Sache ſelber nach
— und faſſe jeder in ſeinen Buſen, allwo ich
das meiſte, was ich geſagt, herausgenom-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/670>, abgerufen am 24.11.2024.
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