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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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gams der Töchter, die Braut des Sohns,
folgten, und seine Gemahlin auch. Ein ein-
ziger Bedienter war von seiner Jugend, oder
wie er sich ausdrückte, von seiner Frühlings-
bekanntschaft
übrig, alle Uebrigen hatten
ihn im Stich gelassen.
Mit diesem alten Be-
dienten hielt er Hauß, das hieß in seiner
Sprache, bestelte er sein Hauß, in dem bibli-
schen Sinn: bestelle dein Hauß, denn du
wirst sterben!
Der Graf ging mit diesem al-
ten Bedienten als Freund, als Mensch um.
Nicht war es Herablassung; denn wahrlich
die ist oft ärgerlicher, als Stolz und Hof-
fahrt, sondern Menschengefühl war es.
Spötter nannten sein Schloß ein Gebein-
hauß; allein er setzte sich über dieses und mehr
hinaus, ich lerne sterben, sagt' er, und laß es
mir von andern vormachen; ich lasse mir vor-
sterben -- und bin mit allen lezten Dingen
in genaue Bekanntschaft getreten. Seine Ge-
danken, die er mir bey der Leichenfolge weit-
läuftiger eröfnete, sind im kurzen: Ein Arzt
und Prediger sehn sterben; allein außerdem,
daß sie selten zu Maaß kommen; so haben sie
zu wenig Zeit, den Tod abzuwarten. Der eine
sieht auf den Leib, und der andre auf die Seele.
Keiner von, beiden sieht auf den Menschen.

So

gams der Toͤchter, die Braut des Sohns,
folgten, und ſeine Gemahlin auch. Ein ein-
ziger Bedienter war von ſeiner Jugend, oder
wie er ſich ausdruͤckte, von ſeiner Fruͤhlings-
bekanntſchaft
uͤbrig, alle Uebrigen hatten
ihn im Stich gelaſſen.
Mit dieſem alten Be-
dienten hielt er Hauß, das hieß in ſeiner
Sprache, beſtelte er ſein Hauß, in dem bibli-
ſchen Sinn: beſtelle dein Hauß, denn du
wirſt ſterben!
Der Graf ging mit dieſem al-
ten Bedienten als Freund, als Menſch um.
Nicht war es Herablaſſung; denn wahrlich
die iſt oft aͤrgerlicher, als Stolz und Hof-
fahrt, ſondern Menſchengefuͤhl war es.
Spoͤtter nannten ſein Schloß ein Gebein-
hauß; allein er ſetzte ſich uͤber dieſes und mehr
hinaus, ich lerne ſterben, ſagt’ er, und laß es
mir von andern vormachen; ich laſſe mir vor-
ſterben — und bin mit allen lezten Dingen
in genaue Bekanntſchaft getreten. Seine Ge-
danken, die er mir bey der Leichenfolge weit-
laͤuftiger eroͤfnete, ſind im kurzen: Ein Arzt
und Prediger ſehn ſterben; allein außerdem,
daß ſie ſelten zu Maaß kommen; ſo haben ſie
zu wenig Zeit, den Tod abzuwarten. Der eine
ſieht auf den Leib, und der andre auf die Seele.
Keiner von, beiden ſieht auf den Menſchen.

So
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[624/0638] gams der Toͤchter, die Braut des Sohns, folgten, und ſeine Gemahlin auch. Ein ein- ziger Bedienter war von ſeiner Jugend, oder wie er ſich ausdruͤckte, von ſeiner Fruͤhlings- bekanntſchaft uͤbrig, alle Uebrigen hatten ihn im Stich gelaſſen. Mit dieſem alten Be- dienten hielt er Hauß, das hieß in ſeiner Sprache, beſtelte er ſein Hauß, in dem bibli- ſchen Sinn: beſtelle dein Hauß, denn du wirſt ſterben! Der Graf ging mit dieſem al- ten Bedienten als Freund, als Menſch um. Nicht war es Herablaſſung; denn wahrlich die iſt oft aͤrgerlicher, als Stolz und Hof- fahrt, ſondern Menſchengefuͤhl war es. Spoͤtter nannten ſein Schloß ein Gebein- hauß; allein er ſetzte ſich uͤber dieſes und mehr hinaus, ich lerne ſterben, ſagt’ er, und laß es mir von andern vormachen; ich laſſe mir vor- ſterben — und bin mit allen lezten Dingen in genaue Bekanntſchaft getreten. Seine Ge- danken, die er mir bey der Leichenfolge weit- laͤuftiger eroͤfnete, ſind im kurzen: Ein Arzt und Prediger ſehn ſterben; allein außerdem, daß ſie ſelten zu Maaß kommen; ſo haben ſie zu wenig Zeit, den Tod abzuwarten. Der eine ſieht auf den Leib, und der andre auf die Seele. Keiner von, beiden ſieht auf den Menſchen. So

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/638>, abgerufen am 24.11.2024.