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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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daß Pulver eine Gabe Gottes sey. Der
junge Herr v. G. konnte nicht leugnen, den
Namen Lorchen gehört zu haben, indessen
hatt' er angelegt, das wolte mehr sagen, als
Lorchen. Es ist wahr, durchs Ohr kommt
weniger Mitleiden ins Herz, als durchs
Auge. Man kann eher seine Stimme als
sein Auge verstellen, und wen siehst du,
wenn du jemand ins Auge siehst? -- dich
selbst im Kleinen. Du bist in gewißer Art
gegen dich selbst mitleidig; allein hier ist
nicht von mehr oder weniger die Rede, son-
dern von Menschenstimme und von einem
Jäger, der angelegt hat. --

Das kleine Fräulein und ihre Begleiterin
schlichen sich nach Hause, recht als ob die
Frau v. W. sie hier schon beym Wasser be-
merken könnte. --

Mein Reisegefehrt' unterrichtete mich in
noch einigen Jägerkunstworten, und da ihm
eben ein Haas' aufstieß, den er traf, war
unsre Jagd zu Ende. -- Ich ließ mir sei-
nen Unterricht mit vielem Eifer gefallen,
um ihn desto mehr zu meiner Predigt vorzu-
bereiten, die ich überdacht hatte, und noch
überdachte. Gewiß war mein Reisegefehrte
vergnügter über seinen Haasen, als ich über

die
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daß Pulver eine Gabe Gottes ſey. Der
junge Herr v. G. konnte nicht leugnen, den
Namen Lorchen gehoͤrt zu haben, indeſſen
hatt’ er angelegt, das wolte mehr ſagen, als
Lorchen. Es iſt wahr, durchs Ohr kommt
weniger Mitleiden ins Herz, als durchs
Auge. Man kann eher ſeine Stimme als
ſein Auge verſtellen, und wen ſiehſt du,
wenn du jemand ins Auge ſiehſt? — dich
ſelbſt im Kleinen. Du biſt in gewißer Art
gegen dich ſelbſt mitleidig; allein hier iſt
nicht von mehr oder weniger die Rede, ſon-
dern von Menſchenſtimme und von einem
Jaͤger, der angelegt hat. —

Das kleine Fraͤulein und ihre Begleiterin
ſchlichen ſich nach Hauſe, recht als ob die
Frau v. W. ſie hier ſchon beym Waſſer be-
merken koͤnnte. —

Mein Reiſegefehrt’ unterrichtete mich in
noch einigen Jaͤgerkunſtworten, und da ihm
eben ein Haaſ’ aufſtieß, den er traf, war
unſre Jagd zu Ende. — Ich ließ mir ſei-
nen Unterricht mit vielem Eifer gefallen,
um ihn deſto mehr zu meiner Predigt vorzu-
bereiten, die ich uͤberdacht hatte, und noch
uͤberdachte. Gewiß war mein Reiſegefehrte
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die
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[57/0063] daß Pulver eine Gabe Gottes ſey. Der junge Herr v. G. konnte nicht leugnen, den Namen Lorchen gehoͤrt zu haben, indeſſen hatt’ er angelegt, das wolte mehr ſagen, als Lorchen. Es iſt wahr, durchs Ohr kommt weniger Mitleiden ins Herz, als durchs Auge. Man kann eher ſeine Stimme als ſein Auge verſtellen, und wen ſiehſt du, wenn du jemand ins Auge ſiehſt? — dich ſelbſt im Kleinen. Du biſt in gewißer Art gegen dich ſelbſt mitleidig; allein hier iſt nicht von mehr oder weniger die Rede, ſon- dern von Menſchenſtimme und von einem Jaͤger, der angelegt hat. — Das kleine Fraͤulein und ihre Begleiterin ſchlichen ſich nach Hauſe, recht als ob die Frau v. W. ſie hier ſchon beym Waſſer be- merken koͤnnte. — Mein Reiſegefehrt’ unterrichtete mich in noch einigen Jaͤgerkunſtworten, und da ihm eben ein Haaſ’ aufſtieß, den er traf, war unſre Jagd zu Ende. — Ich ließ mir ſei- nen Unterricht mit vielem Eifer gefallen, um ihn deſto mehr zu meiner Predigt vorzu- bereiten, die ich uͤberdacht hatte, und noch uͤberdachte. Gewiß war mein Reiſegefehrte vergnuͤgter uͤber ſeinen Haaſen, als ich uͤber die D 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/63>, abgerufen am 27.11.2024.