Alter! Nimm dich zusammen, gib deinem Sohn die Hand, damit er ein Stück von dir übertrage. Kommt, kommt alle! Du starrst, Geliebter! Du starrest! Du, vor allen Ge- treuer! Was ist mein Gesang gegen dein Ge- sicht? Laß es mich abschreiben. Ich bitte dich Laß! Dann haben Kinder und Kindes- kinder ein Muster von edlen Schmerz. Doch seht! Es bricht sich Tod und Leben auf dei- nem Gesicht, mein Geliebter! mein Freund! Gottlob die Herzens Blutschleuse ist nicht mehr gehemmt. Sie ist wieder aufgezogen, und es fließt Blut in dein Gesicht. -- Ach Geliebter! soll ich, soll ich weiter singen? Es ist Luise, Freund! Sie ists! Kann ich? Soll ich? Flieht, Freunde, sie ist uns nahe! Verbergt euch ins Gesträuch tief -- tiefer -- Freunde eines Helden fliehen? verber- gen? Doch! einem Weibe zum besten! dem Weibe eines Helden zum besten! Solch ein Weib können nur Memmen aushalten! Män- ner nicht! Wir sind Helden, Freunde, weil wir fliehen, weil wir uns verbergen tief im Gesträuch. Je tiefer, je heldenmütiger! --
Ist Luise nicht eine Heldin, weil sie be- trübt ist bis in den Tod! Weil sie ihre Stim- me verloren hat, und was weiß sie? Weiß
sie
Alter! Nimm dich zuſammen, gib deinem Sohn die Hand, damit er ein Stuͤck von dir uͤbertrage. Kommt, kommt alle! Du ſtarrſt, Geliebter! Du ſtarreſt! Du, vor allen Ge- treuer! Was iſt mein Geſang gegen dein Ge- ſicht? Laß es mich abſchreiben. Ich bitte dich Laß! Dann haben Kinder und Kindes- kinder ein Muſter von edlen Schmerz. Doch ſeht! Es bricht ſich Tod und Leben auf dei- nem Geſicht, mein Geliebter! mein Freund! Gottlob die Herzens Blutſchleuſe iſt nicht mehr gehemmt. Sie iſt wieder aufgezogen, und es fließt Blut in dein Geſicht. — Ach Geliebter! ſoll ich, ſoll ich weiter ſingen? Es iſt Luiſe, Freund! Sie iſts! Kann ich? Soll ich? Flieht, Freunde, ſie iſt uns nahe! Verbergt euch ins Geſtraͤuch tief — tiefer — Freunde eines Helden fliehen? verber- gen? Doch! einem Weibe zum beſten! dem Weibe eines Helden zum beſten! Solch ein Weib koͤnnen nur Memmen aushalten! Maͤn- ner nicht! Wir ſind Helden, Freunde, weil wir fliehen, weil wir uns verbergen tief im Geſtraͤuch. Je tiefer, je heldenmuͤtiger! —
Iſt Luiſe nicht eine Heldin, weil ſie be- truͤbt iſt bis in den Tod! Weil ſie ihre Stim- me verloren hat, und was weiß ſie? Weiß
ſie
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Alter! Nimm dich zuſammen, gib deinem
Sohn die Hand, damit er ein Stuͤck von dir
uͤbertrage. Kommt, kommt alle! Du ſtarrſt,
Geliebter! Du ſtarreſt! Du, vor allen Ge-
treuer! Was iſt mein Geſang gegen dein Ge-
ſicht? Laß es mich abſchreiben. Ich bitte
dich Laß! Dann haben Kinder und Kindes-
kinder ein Muſter von edlen Schmerz. Doch
ſeht! Es bricht ſich Tod und Leben auf dei-
nem Geſicht, mein Geliebter! mein Freund!
Gottlob die Herzens Blutſchleuſe iſt nicht
mehr gehemmt. Sie iſt wieder aufgezogen,
und es fließt Blut in dein Geſicht. — Ach
Geliebter! ſoll ich, ſoll ich weiter ſingen?
Es iſt Luiſe, Freund! Sie iſts! Kann ich?
Soll ich? Flieht, Freunde, ſie iſt uns nahe!
Verbergt euch ins Geſtraͤuch tief — tiefer
— Freunde eines Helden fliehen? verber-
gen? Doch! einem Weibe zum beſten! dem
Weibe eines Helden zum beſten! Solch ein
Weib koͤnnen nur Memmen aushalten! Maͤn-
ner nicht! Wir ſind Helden, Freunde, weil
wir fliehen, weil wir uns verbergen tief im
Geſtraͤuch. Je tiefer, je heldenmuͤtiger! —
Iſt Luiſe nicht eine Heldin, weil ſie be-
truͤbt iſt bis in den Tod! Weil ſie ihre Stim-
me verloren hat, und was weiß ſie? Weiß
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/603>, abgerufen am 22.11.2024.
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