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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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wo ich sie sehe, martert mich, denn -- --
war blau gekleidet. -- Auf die Art, Hut und
Haarlocken und Stiefel zu tragen, und auf al-
les, was sein war, bin ich gallenbitter böse! --

Was ich geschrieben habe, das hab' ich
geschrieben, was ich habe schreiben lassen,
das hab' ich schreiben lassen. -- Bin ich
nicht mehr, viel mehr gefangen, wie sie.
Ich! ich! sitz' im Kefig. -- Laßt mir die
Freud', in die Stangen des Kefigs zu beis-
sen. -- Wenn jedwede ein und einzige Liebe,
Adam und Evasliebe,
solche Leiden macht;
so sind es Einfälle von Milzsüchtigen, eine ein-
zige Liebe! wer kann so lieben und leben? --

Sonst war mein Stolz, in der Liebe
wetterwendisch zu seyn. Diese Grundsätze
haben sich verlaufen, und das erschreckliche
Gericht der Beständigkeit ist über mich eröf-
net. Weh mir! daß ich beständig bin! weh!
weh mir! daß ich es bin! -- -- Vergieb
mir diese Wehs, liebe Mine, vergieb sie mir,
wohl mir, daß ich beständig bin, wohl --
wahrlich eine ganz nagelneue Erfindung für
mich! -- Hätt' ich ihr nur einen Kuß ge-
geben, so wüßt' ich doch, wie's wäre, wenn
man einen Engel küßt. -- Ihren Othem
hab' ich von fern geschmeckt, und wie Veil-

chen

wo ich ſie ſehe, martert mich, denn — —
war blau gekleidet. — Auf die Art, Hut und
Haarlocken und Stiefel zu tragen, und auf al-
les, was ſein war, bin ich gallenbitter boͤſe! —

Was ich geſchrieben habe, das hab’ ich
geſchrieben, was ich habe ſchreiben laſſen,
das hab’ ich ſchreiben laſſen. — Bin ich
nicht mehr, viel mehr gefangen, wie ſie.
Ich! ich! ſitz’ im Kefig. — Laßt mir die
Freud’, in die Stangen des Kefigs zu beiſ-
ſen. — Wenn jedwede ein und einzige Liebe,
Adam und Evasliebe,
ſolche Leiden macht;
ſo ſind es Einfaͤlle von Milzſuͤchtigen, eine ein-
zige Liebe! wer kann ſo lieben und leben? —

Sonſt war mein Stolz, in der Liebe
wetterwendiſch zu ſeyn. Dieſe Grundſaͤtze
haben ſich verlaufen, und das erſchreckliche
Gericht der Beſtaͤndigkeit iſt uͤber mich eroͤf-
net. Weh mir! daß ich beſtaͤndig bin! weh!
weh mir! daß ich es bin! — — Vergieb
mir dieſe Wehs, liebe Mine, vergieb ſie mir,
wohl mir, daß ich beſtaͤndig bin, wohl —
wahrlich eine ganz nagelneue Erfindung fuͤr
mich! — Haͤtt’ ich ihr nur einen Kuß ge-
geben, ſo wuͤßt’ ich doch, wie’s waͤre, wenn
man einen Engel kuͤßt. — Ihren Othem
hab’ ich von fern geſchmeckt, und wie Veil-

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[462/0472] wo ich ſie ſehe, martert mich, denn — — war blau gekleidet. — Auf die Art, Hut und Haarlocken und Stiefel zu tragen, und auf al- les, was ſein war, bin ich gallenbitter boͤſe! — Was ich geſchrieben habe, das hab’ ich geſchrieben, was ich habe ſchreiben laſſen, das hab’ ich ſchreiben laſſen. — Bin ich nicht mehr, viel mehr gefangen, wie ſie. Ich! ich! ſitz’ im Kefig. — Laßt mir die Freud’, in die Stangen des Kefigs zu beiſ- ſen. — Wenn jedwede ein und einzige Liebe, Adam und Evasliebe, ſolche Leiden macht; ſo ſind es Einfaͤlle von Milzſuͤchtigen, eine ein- zige Liebe! wer kann ſo lieben und leben? — Sonſt war mein Stolz, in der Liebe wetterwendiſch zu ſeyn. Dieſe Grundſaͤtze haben ſich verlaufen, und das erſchreckliche Gericht der Beſtaͤndigkeit iſt uͤber mich eroͤf- net. Weh mir! daß ich beſtaͤndig bin! weh! weh mir! daß ich es bin! — — Vergieb mir dieſe Wehs, liebe Mine, vergieb ſie mir, wohl mir, daß ich beſtaͤndig bin, wohl — wahrlich eine ganz nagelneue Erfindung fuͤr mich! — Haͤtt’ ich ihr nur einen Kuß ge- geben, ſo wuͤßt’ ich doch, wie’s waͤre, wenn man einen Engel kuͤßt. — Ihren Othem hab’ ich von fern geſchmeckt, und wie Veil- chen

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/472>, abgerufen am 28.11.2024.