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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Mutter hat heute die Wäsche, und da wißt
ihr kann man nicht sagen, daß ein Topf
gebrochen ist. Wenn die Wäsche vorbey
ist, will ich euch einen andern Topf brin-
gen. Die Bäurin war gegen des alten
Herrn Töchterchen so galant, daß sie kei-
nen Topf verlangte. Minchen verbat
dieses Geschenk. Der Jung indessen, so-
bald er merkte, daß die Mutter sich gefun-
den hatte, sprach Minchen los, und eignete
sich der Wahrheit gemäß alle Schuld zu.
Nehmt keinen Topf, Mutter, sie hat ihn
nicht zerbrochen, ich sah, wie es alles so
schön grün und gelb auf dem Felde war,
und da fiel der Topf mir aus der Hand.
Die Bäurin war so bewegt, daß sie Minen
wie eine Heilige verehrte, und an ihrer Hand
zu Hause begleitete. Ich erkundigte mich
nach dem Jungen, und würd' es gern ge-
sehen haben, daß Helm sich durch diese große
That in seiner Jugend ausgezeichnet hätte;
allein der Herr Candidat versicherte, daß
dieser Edle im siebenten Jahre selig verstor-
ben wäre. Alle Welt, fügte der alte Herr
hinzu, sagte: der Jung' ist zu schad' für
diese Welt, und die Wahrheit zu sagen, ich
wundre mich, daß Mine so gros geworden

ist
C 2

Mutter hat heute die Waͤſche, und da wißt
ihr kann man nicht ſagen, daß ein Topf
gebrochen iſt. Wenn die Waͤſche vorbey
iſt, will ich euch einen andern Topf brin-
gen. Die Baͤurin war gegen des alten
Herrn Toͤchterchen ſo galant, daß ſie kei-
nen Topf verlangte. Minchen verbat
dieſes Geſchenk. Der Jung indeſſen, ſo-
bald er merkte, daß die Mutter ſich gefun-
den hatte, ſprach Minchen los, und eignete
ſich der Wahrheit gemaͤß alle Schuld zu.
Nehmt keinen Topf, Mutter, ſie hat ihn
nicht zerbrochen, ich ſah, wie es alles ſo
ſchoͤn gruͤn und gelb auf dem Felde war,
und da fiel der Topf mir aus der Hand.
Die Baͤurin war ſo bewegt, daß ſie Minen
wie eine Heilige verehrte, und an ihrer Hand
zu Hauſe begleitete. Ich erkundigte mich
nach dem Jungen, und wuͤrd’ es gern ge-
ſehen haben, daß Helm ſich durch dieſe große
That in ſeiner Jugend ausgezeichnet haͤtte;
allein der Herr Candidat verſicherte, daß
dieſer Edle im ſiebenten Jahre ſelig verſtor-
ben waͤre. Alle Welt, fuͤgte der alte Herr
hinzu, ſagte: der Jung’ iſt zu ſchad’ fuͤr
dieſe Welt, und die Wahrheit zu ſagen, ich
wundre mich, daß Mine ſo gros geworden

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[35/0041] Mutter hat heute die Waͤſche, und da wißt ihr kann man nicht ſagen, daß ein Topf gebrochen iſt. Wenn die Waͤſche vorbey iſt, will ich euch einen andern Topf brin- gen. Die Baͤurin war gegen des alten Herrn Toͤchterchen ſo galant, daß ſie kei- nen Topf verlangte. Minchen verbat dieſes Geſchenk. Der Jung indeſſen, ſo- bald er merkte, daß die Mutter ſich gefun- den hatte, ſprach Minchen los, und eignete ſich der Wahrheit gemaͤß alle Schuld zu. Nehmt keinen Topf, Mutter, ſie hat ihn nicht zerbrochen, ich ſah, wie es alles ſo ſchoͤn gruͤn und gelb auf dem Felde war, und da fiel der Topf mir aus der Hand. Die Baͤurin war ſo bewegt, daß ſie Minen wie eine Heilige verehrte, und an ihrer Hand zu Hauſe begleitete. Ich erkundigte mich nach dem Jungen, und wuͤrd’ es gern ge- ſehen haben, daß Helm ſich durch dieſe große That in ſeiner Jugend ausgezeichnet haͤtte; allein der Herr Candidat verſicherte, daß dieſer Edle im ſiebenten Jahre ſelig verſtor- ben waͤre. Alle Welt, fuͤgte der alte Herr hinzu, ſagte: der Jung’ iſt zu ſchad’ fuͤr dieſe Welt, und die Wahrheit zu ſagen, ich wundre mich, daß Mine ſo gros geworden iſt C 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/41>, abgerufen am 22.11.2024.