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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Sterbenslauf ihrer Mutter, (die Verwandt-
schaft kam von Mutter Seite her,) erzählen,
und die guten Leute freuten sich über ihre Ver-
sorgung! Wer einmal oben ist, o! der ist wohl
versorgt! sagten sie beyde. Wer weiß, wie
nahe mir mein End', setzten sie hinzu, auch
Mine sagte: Wer weiß, und alle drey freu-
ten sich.

Die unglücklichen Leute hatten einen
Sohn, der Pastor an der Grenze war, wie
sie sich ausdrückten! Wenn er lieber was
anders wäre, wünschten sie, dann würden wir
eher Hülfe von ihm erwarten können. Mine
befragte sie, ob sie denn schon Proben von sei-
ner Härte hätten? Härte können wir es nicht
nennen, erwiederten sie. Er hat sich das Be-
ten statt des Gebens so angewöhnt, und frey-
lich kommt man dabey am wohlfeilsten ab.
Hohl doch, sagt' er, liebe Mutter, hohl doch
den Brief vom neuen Jahr, da ist ein Ge-
bet drinn, das ein Kirchengebet werden
könnte!

Unser Nachbar, sagte die liebe Mutter,
anstatt daß sie den Brief mit dem Gebet holte,
welches ein Kirchengebet werden könnte, un-
ser Nachbar hatt' eben so ein Pachtunglück;
aber wie weit glücklicher ist der! Er hat ei-

nen
B b 4

Sterbenslauf ihrer Mutter, (die Verwandt-
ſchaft kam von Mutter Seite her,) erzaͤhlen,
und die guten Leute freuten ſich uͤber ihre Ver-
ſorgung! Wer einmal oben iſt, o! der iſt wohl
verſorgt! ſagten ſie beyde. Wer weiß, wie
nahe mir mein End’, ſetzten ſie hinzu, auch
Mine ſagte: Wer weiß, und alle drey freu-
ten ſich.

Die ungluͤcklichen Leute hatten einen
Sohn, der Paſtor an der Grenze war, wie
ſie ſich ausdruͤckten! Wenn er lieber was
anders waͤre, wuͤnſchten ſie, dann wuͤrden wir
eher Huͤlfe von ihm erwarten koͤnnen. Mine
befragte ſie, ob ſie denn ſchon Proben von ſei-
ner Haͤrte haͤtten? Haͤrte koͤnnen wir es nicht
nennen, erwiederten ſie. Er hat ſich das Be-
ten ſtatt des Gebens ſo angewoͤhnt, und frey-
lich kommt man dabey am wohlfeilſten ab.
Hohl doch, ſagt’ er, liebe Mutter, hohl doch
den Brief vom neuen Jahr, da iſt ein Ge-
bet drinn, das ein Kirchengebet werden
koͤnnte!

Unſer Nachbar, ſagte die liebe Mutter,
anſtatt daß ſie den Brief mit dem Gebet holte,
welches ein Kirchengebet werden koͤnnte, un-
ſer Nachbar hatt’ eben ſo ein Pachtungluͤck;
aber wie weit gluͤcklicher iſt der! Er hat ei-

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[391/0401] Sterbenslauf ihrer Mutter, (die Verwandt- ſchaft kam von Mutter Seite her,) erzaͤhlen, und die guten Leute freuten ſich uͤber ihre Ver- ſorgung! Wer einmal oben iſt, o! der iſt wohl verſorgt! ſagten ſie beyde. Wer weiß, wie nahe mir mein End’, ſetzten ſie hinzu, auch Mine ſagte: Wer weiß, und alle drey freu- ten ſich. Die ungluͤcklichen Leute hatten einen Sohn, der Paſtor an der Grenze war, wie ſie ſich ausdruͤckten! Wenn er lieber was anders waͤre, wuͤnſchten ſie, dann wuͤrden wir eher Huͤlfe von ihm erwarten koͤnnen. Mine befragte ſie, ob ſie denn ſchon Proben von ſei- ner Haͤrte haͤtten? Haͤrte koͤnnen wir es nicht nennen, erwiederten ſie. Er hat ſich das Be- ten ſtatt des Gebens ſo angewoͤhnt, und frey- lich kommt man dabey am wohlfeilſten ab. Hohl doch, ſagt’ er, liebe Mutter, hohl doch den Brief vom neuen Jahr, da iſt ein Ge- bet drinn, das ein Kirchengebet werden koͤnnte! Unſer Nachbar, ſagte die liebe Mutter, anſtatt daß ſie den Brief mit dem Gebet holte, welches ein Kirchengebet werden koͤnnte, un- ſer Nachbar hatt’ eben ſo ein Pachtungluͤck; aber wie weit gluͤcklicher iſt der! Er hat ei- nen B b 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/401>, abgerufen am 22.11.2024.