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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Gott! Gnade! Gnade! -- Allbarmherziger,
nimm mich an zu Gnaden, und laß mich se-
lig sterben. -- --

Denkt, empfindsame Leser, wie Minen
zu Muth gewesen! Sie sucht' ein Messer und
mußte lang suchen. -- Find' ich es nicht,
dachte sie, kann es Gottes Wille nicht seyn.
-- Sie fand! sie fand! -- schärfte das
Messer, hielt es gen Himmel, flehte noch
einmal zu Gott! versuchte wieder zu singen,
konnte nicht, legte das Messer, das zuge-
schlagen war, vor sich zur Erd, und warf
sich aufs Bett! Die Unruh ihres Herzens
war groß. Sie sprang schnell auf, nahm
ihre Bibel, riß das Messer auf, und legt'
es auf die Spruchstelle im ersten Buch der
Chronick im zwei und zwanzigsten Capi-
tel im dreizehnten Vers:

"Mir ist fast angst: doch ich will in die
"Hand des Herrn fallen; denn seine Barm-
"herzigkeit ist sehr groß, und will nicht in
"Menschenhände fallen."

Nach einem namlosen Seesenschmerz,
nach einer wahren Todesnoth, legte sich Mine
wieder auf ihr Bett in Kleidern, wie sie war.

Soll diese Nacht die letzte seyn

betete sie

in

Gott! Gnade! Gnade! — Allbarmherziger,
nimm mich an zu Gnaden, und laß mich ſe-
lig ſterben. — —

Denkt, empfindſame Leſer, wie Minen
zu Muth geweſen! Sie ſucht’ ein Meſſer und
mußte lang ſuchen. — Find’ ich es nicht,
dachte ſie, kann es Gottes Wille nicht ſeyn.
— Sie fand! ſie fand! — ſchaͤrfte das
Meſſer, hielt es gen Himmel, flehte noch
einmal zu Gott! verſuchte wieder zu ſingen,
konnte nicht, legte das Meſſer, das zuge-
ſchlagen war, vor ſich zur Erd, und warf
ſich aufs Bett! Die Unruh ihres Herzens
war groß. Sie ſprang ſchnell auf, nahm
ihre Bibel, riß das Meſſer auf, und legt’
es auf die Spruchſtelle im erſten Buch der
Chronick im zwei und zwanzigſten Capi-
tel im dreizehnten Vers:

„Mir iſt faſt angſt: doch ich will in die
„Hand des Herrn fallen; denn ſeine Barm-
„herzigkeit iſt ſehr groß, und will nicht in
„Menſchenhaͤnde fallen.”

Nach einem namloſen Seeſenſchmerz,
nach einer wahren Todesnoth, legte ſich Mine
wieder auf ihr Bett in Kleidern, wie ſie war.

Soll dieſe Nacht die letzte ſeyn

betete ſie

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[378/0386] Gott! Gnade! Gnade! — Allbarmherziger, nimm mich an zu Gnaden, und laß mich ſe- lig ſterben. — — Denkt, empfindſame Leſer, wie Minen zu Muth geweſen! Sie ſucht’ ein Meſſer und mußte lang ſuchen. — Find’ ich es nicht, dachte ſie, kann es Gottes Wille nicht ſeyn. — Sie fand! ſie fand! — ſchaͤrfte das Meſſer, hielt es gen Himmel, flehte noch einmal zu Gott! verſuchte wieder zu ſingen, konnte nicht, legte das Meſſer, das zuge- ſchlagen war, vor ſich zur Erd, und warf ſich aufs Bett! Die Unruh ihres Herzens war groß. Sie ſprang ſchnell auf, nahm ihre Bibel, riß das Meſſer auf, und legt’ es auf die Spruchſtelle im erſten Buch der Chronick im zwei und zwanzigſten Capi- tel im dreizehnten Vers: „Mir iſt faſt angſt: doch ich will in die „Hand des Herrn fallen; denn ſeine Barm- „herzigkeit iſt ſehr groß, und will nicht in „Menſchenhaͤnde fallen.” Nach einem namloſen Seeſenſchmerz, nach einer wahren Todesnoth, legte ſich Mine wieder auf ihr Bett in Kleidern, wie ſie war. Soll dieſe Nacht die letzte ſeyn betete ſie in

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/386>, abgerufen am 23.11.2024.