Es hatte der Herr Gemahl der Frau v. E. in seinem lezten Willen die feyerliche Verfügung gemacht, daß seine Gemahlin und Mamsell Dene, (so ward Magdalene im ganzen Haus' und überall genannt,) sich nicht von einander trennen, sondern beysam- men bleiben solten, bis sie der Tod schiede. Das war ein neuer Gegenstand zu Anmer- kungen, welche die ganze Gegend machte, so bald das Testament eröfnet war. Die Frau Wittwe, die vor der Eröfnung des Testaments, und vorzüglich bey Gelegenheit der Thränen, den Plan gemacht hatte, De- nen in allen Gnaden zu verabschieden, war jetzo, wie sie sich ausdrückte, gezwungen, diese Klett' am Kleide zu leiden. Sie sah' es also im Herzen sehr gern, daß Herr Herrmann Denen die Aufwartung machte. Zwar hatte sie sich so fest an dem Willen ihres verstorbe- nen Gemahls gebunden, daß sie keine Tren- nung von Denen möglich glaubte; indessen glaubte sie, durch Denens Umgang mit Herrmann wenigstens die Scene zu verän- dern, und der Nachred' eine andere Wen- dung zu geben. Einen Rechtsgelehrten hatte sie nicht das Herz, darüber zu Rathe zu zie- hen. -- Es giebt Krankheiten, die man
nicht
Es hatte der Herr Gemahl der Frau v. E. in ſeinem lezten Willen die feyerliche Verfuͤgung gemacht, daß ſeine Gemahlin und Mamſell Dene, (ſo ward Magdalene im ganzen Hauſ’ und uͤberall genannt,) ſich nicht von einander trennen, ſondern beyſam- men bleiben ſolten, bis ſie der Tod ſchiede. Das war ein neuer Gegenſtand zu Anmer- kungen, welche die ganze Gegend machte, ſo bald das Teſtament eroͤfnet war. Die Frau Wittwe, die vor der Eroͤfnung des Teſtaments, und vorzuͤglich bey Gelegenheit der Thraͤnen, den Plan gemacht hatte, De- nen in allen Gnaden zu verabſchieden, war jetzo, wie ſie ſich ausdruͤckte, gezwungen, dieſe Klett’ am Kleide zu leiden. Sie ſah’ es alſo im Herzen ſehr gern, daß Herr Herrmann Denen die Aufwartung machte. Zwar hatte ſie ſich ſo feſt an dem Willen ihres verſtorbe- nen Gemahls gebunden, daß ſie keine Tren- nung von Denen moͤglich glaubte; indeſſen glaubte ſie, durch Denens Umgang mit Herrmann wenigſtens die Scene zu veraͤn- dern, und der Nachred’ eine andere Wen- dung zu geben. Einen Rechtsgelehrten hatte ſie nicht das Herz, daruͤber zu Rathe zu zie- hen. — Es giebt Krankheiten, die man
nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0293"n="285"/><p>Es hatte der Herr Gemahl der Frau<lb/>
v. E. in ſeinem lezten Willen die feyerliche<lb/>
Verfuͤgung gemacht, daß ſeine Gemahlin<lb/>
und Mamſell <hirendition="#fr">Dene,</hi> (ſo ward Magdalene<lb/>
im ganzen Hauſ’ und uͤberall genannt,) ſich<lb/>
nicht von einander trennen, ſondern beyſam-<lb/>
men bleiben ſolten, bis ſie der Tod ſchiede.<lb/>
Das war ein neuer Gegenſtand zu Anmer-<lb/>
kungen, welche die ganze Gegend machte,<lb/>ſo bald das Teſtament eroͤfnet war. Die<lb/>
Frau Wittwe, die vor der Eroͤfnung des<lb/>
Teſtaments, und vorzuͤglich bey Gelegenheit<lb/>
der Thraͤnen, den Plan gemacht hatte, <hirendition="#fr">De-<lb/>
nen</hi> in allen Gnaden zu verabſchieden, war<lb/>
jetzo, wie ſie ſich ausdruͤckte, gezwungen,<lb/>
dieſe Klett’ am Kleide zu leiden. Sie ſah’ es<lb/>
alſo im Herzen ſehr gern, daß Herr Herrmann<lb/><hirendition="#fr">Denen</hi> die Aufwartung machte. Zwar hatte<lb/>ſie ſich ſo feſt an dem Willen ihres verſtorbe-<lb/>
nen Gemahls gebunden, daß ſie keine Tren-<lb/>
nung von <hirendition="#fr">Denen</hi> moͤglich glaubte; indeſſen<lb/>
glaubte ſie, durch <hirendition="#fr">Denens</hi> Umgang mit<lb/>
Herrmann wenigſtens die Scene zu veraͤn-<lb/>
dern, und der Nachred’ eine andere Wen-<lb/>
dung zu geben. Einen Rechtsgelehrten hatte<lb/>ſie nicht das Herz, daruͤber zu Rathe zu zie-<lb/>
hen. — Es giebt Krankheiten, die man<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[285/0293]
Es hatte der Herr Gemahl der Frau
v. E. in ſeinem lezten Willen die feyerliche
Verfuͤgung gemacht, daß ſeine Gemahlin
und Mamſell Dene, (ſo ward Magdalene
im ganzen Hauſ’ und uͤberall genannt,) ſich
nicht von einander trennen, ſondern beyſam-
men bleiben ſolten, bis ſie der Tod ſchiede.
Das war ein neuer Gegenſtand zu Anmer-
kungen, welche die ganze Gegend machte,
ſo bald das Teſtament eroͤfnet war. Die
Frau Wittwe, die vor der Eroͤfnung des
Teſtaments, und vorzuͤglich bey Gelegenheit
der Thraͤnen, den Plan gemacht hatte, De-
nen in allen Gnaden zu verabſchieden, war
jetzo, wie ſie ſich ausdruͤckte, gezwungen,
dieſe Klett’ am Kleide zu leiden. Sie ſah’ es
alſo im Herzen ſehr gern, daß Herr Herrmann
Denen die Aufwartung machte. Zwar hatte
ſie ſich ſo feſt an dem Willen ihres verſtorbe-
nen Gemahls gebunden, daß ſie keine Tren-
nung von Denen moͤglich glaubte; indeſſen
glaubte ſie, durch Denens Umgang mit
Herrmann wenigſtens die Scene zu veraͤn-
dern, und der Nachred’ eine andere Wen-
dung zu geben. Einen Rechtsgelehrten hatte
ſie nicht das Herz, daruͤber zu Rathe zu zie-
hen. — Es giebt Krankheiten, die man
nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/293>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.