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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Es hatte der Herr Gemahl der Frau
v. E. in seinem lezten Willen die feyerliche
Verfügung gemacht, daß seine Gemahlin
und Mamsell Dene, (so ward Magdalene
im ganzen Haus' und überall genannt,) sich
nicht von einander trennen, sondern beysam-
men bleiben solten, bis sie der Tod schiede.
Das war ein neuer Gegenstand zu Anmer-
kungen, welche die ganze Gegend machte,
so bald das Testament eröfnet war. Die
Frau Wittwe, die vor der Eröfnung des
Testaments, und vorzüglich bey Gelegenheit
der Thränen, den Plan gemacht hatte, De-
nen
in allen Gnaden zu verabschieden, war
jetzo, wie sie sich ausdrückte, gezwungen,
diese Klett' am Kleide zu leiden. Sie sah' es
also im Herzen sehr gern, daß Herr Herrmann
Denen die Aufwartung machte. Zwar hatte
sie sich so fest an dem Willen ihres verstorbe-
nen Gemahls gebunden, daß sie keine Tren-
nung von Denen möglich glaubte; indessen
glaubte sie, durch Denens Umgang mit
Herrmann wenigstens die Scene zu verän-
dern, und der Nachred' eine andere Wen-
dung zu geben. Einen Rechtsgelehrten hatte
sie nicht das Herz, darüber zu Rathe zu zie-
hen. -- Es giebt Krankheiten, die man

nicht

Es hatte der Herr Gemahl der Frau
v. E. in ſeinem lezten Willen die feyerliche
Verfuͤgung gemacht, daß ſeine Gemahlin
und Mamſell Dene, (ſo ward Magdalene
im ganzen Hauſ’ und uͤberall genannt,) ſich
nicht von einander trennen, ſondern beyſam-
men bleiben ſolten, bis ſie der Tod ſchiede.
Das war ein neuer Gegenſtand zu Anmer-
kungen, welche die ganze Gegend machte,
ſo bald das Teſtament eroͤfnet war. Die
Frau Wittwe, die vor der Eroͤfnung des
Teſtaments, und vorzuͤglich bey Gelegenheit
der Thraͤnen, den Plan gemacht hatte, De-
nen
in allen Gnaden zu verabſchieden, war
jetzo, wie ſie ſich ausdruͤckte, gezwungen,
dieſe Klett’ am Kleide zu leiden. Sie ſah’ es
alſo im Herzen ſehr gern, daß Herr Herrmann
Denen die Aufwartung machte. Zwar hatte
ſie ſich ſo feſt an dem Willen ihres verſtorbe-
nen Gemahls gebunden, daß ſie keine Tren-
nung von Denen moͤglich glaubte; indeſſen
glaubte ſie, durch Denens Umgang mit
Herrmann wenigſtens die Scene zu veraͤn-
dern, und der Nachred’ eine andere Wen-
dung zu geben. Einen Rechtsgelehrten hatte
ſie nicht das Herz, daruͤber zu Rathe zu zie-
hen. — Es giebt Krankheiten, die man

nicht
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[285/0293] Es hatte der Herr Gemahl der Frau v. E. in ſeinem lezten Willen die feyerliche Verfuͤgung gemacht, daß ſeine Gemahlin und Mamſell Dene, (ſo ward Magdalene im ganzen Hauſ’ und uͤberall genannt,) ſich nicht von einander trennen, ſondern beyſam- men bleiben ſolten, bis ſie der Tod ſchiede. Das war ein neuer Gegenſtand zu Anmer- kungen, welche die ganze Gegend machte, ſo bald das Teſtament eroͤfnet war. Die Frau Wittwe, die vor der Eroͤfnung des Teſtaments, und vorzuͤglich bey Gelegenheit der Thraͤnen, den Plan gemacht hatte, De- nen in allen Gnaden zu verabſchieden, war jetzo, wie ſie ſich ausdruͤckte, gezwungen, dieſe Klett’ am Kleide zu leiden. Sie ſah’ es alſo im Herzen ſehr gern, daß Herr Herrmann Denen die Aufwartung machte. Zwar hatte ſie ſich ſo feſt an dem Willen ihres verſtorbe- nen Gemahls gebunden, daß ſie keine Tren- nung von Denen moͤglich glaubte; indeſſen glaubte ſie, durch Denens Umgang mit Herrmann wenigſtens die Scene zu veraͤn- dern, und der Nachred’ eine andere Wen- dung zu geben. Einen Rechtsgelehrten hatte ſie nicht das Herz, daruͤber zu Rathe zu zie- hen. — Es giebt Krankheiten, die man nicht

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/293>, abgerufen am 10.05.2024.