Wenn ich in einer großen Gesellschaft ei- nen Witzling sehe, der nach Landesmanier wie der dritte Mann zum Spiel gebeten wird, und der über Tisch und Stühle schreit, ist mir nicht anders, als wär' ich mit dem verstockten Schächer zusammen! Wer in ei- ner Gesellschaft von zwölf Personen witzig seyn, und sich hören und sehen laßen kann, ist ein schrecklicher Mensch. -- Wo zwey und drey versammlet sind, da ist Witz an Ort und Stelle. Niemand ist geiziger, als ein wirklich witziger. Er wirft seine Perlen nicht weg. -- Ein Witziger ohn' Urtheil ist ein Witzling -- und wehe dem Menschen, durch welchen Aergerniß kommt! Vorrede genug --
Herrmann hatte, nach dem Tode der Mutter meiner Mine und der Meinigen, noch Lust sich ein Hochzeitbett anzulegen. Der Tischler, den er darüber besprach, glaubt es sey ein Sarg, da er sich in der Still' an ihn wandte. Der Tischler wandte sich mit einem warum? auch in der Still' an Herr- mann zurück. -- Ich hab' es von meiner Mutter, daß eben dieser Tischler in seiner Gewerksstube herzlich geweint habe, wenn er einen Sarg für einen Redlichen im Land'
erbau-
Wenn ich in einer großen Geſellſchaft ei- nen Witzling ſehe, der nach Landesmanier wie der dritte Mann zum Spiel gebeten wird, und der uͤber Tiſch und Stuͤhle ſchreit, iſt mir nicht anders, als waͤr’ ich mit dem verſtockten Schaͤcher zuſammen! Wer in ei- ner Geſellſchaft von zwoͤlf Perſonen witzig ſeyn, und ſich hoͤren und ſehen laßen kann, iſt ein ſchrecklicher Menſch. — Wo zwey und drey verſammlet ſind, da iſt Witz an Ort und Stelle. Niemand iſt geiziger, als ein wirklich witziger. Er wirft ſeine Perlen nicht weg. — Ein Witziger ohn’ Urtheil iſt ein Witzling — und wehe dem Menſchen, durch welchen Aergerniß kommt! Vorrede genug —
Herrmann hatte, nach dem Tode der Mutter meiner Mine und der Meinigen, noch Luſt ſich ein Hochzeitbett anzulegen. Der Tiſchler, den er daruͤber beſprach, glaubt es ſey ein Sarg, da er ſich in der Still’ an ihn wandte. Der Tiſchler wandte ſich mit einem warum? auch in der Still’ an Herr- mann zuruͤck. — Ich hab’ es von meiner Mutter, daß eben dieſer Tiſchler in ſeiner Gewerksſtube herzlich geweint habe, wenn er einen Sarg fuͤr einen Redlichen im Land’
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Wenn ich in einer großen Geſellſchaft ei-
nen Witzling ſehe, der nach Landesmanier
wie der dritte Mann zum Spiel gebeten wird,
und der uͤber Tiſch und Stuͤhle ſchreit, iſt
mir nicht anders, als waͤr’ ich mit dem
verſtockten Schaͤcher zuſammen! Wer in ei-
ner Geſellſchaft von zwoͤlf Perſonen witzig
ſeyn, und ſich hoͤren und ſehen laßen kann,
iſt ein ſchrecklicher Menſch. — Wo zwey
und drey verſammlet ſind, da iſt Witz an
Ort und Stelle. Niemand iſt geiziger, als
ein wirklich witziger. Er wirft ſeine Perlen
nicht weg. — Ein Witziger ohn’ Urtheil iſt
ein Witzling — und wehe dem Menſchen,
durch welchen Aergerniß kommt! Vorrede
genug —
Herrmann hatte, nach dem Tode der
Mutter meiner Mine und der Meinigen,
noch Luſt ſich ein Hochzeitbett anzulegen.
Der Tiſchler, den er daruͤber beſprach, glaubt
es ſey ein Sarg, da er ſich in der Still’ an
ihn wandte. Der Tiſchler wandte ſich mit
einem warum? auch in der Still’ an Herr-
mann zuruͤck. — Ich hab’ es von meiner
Mutter, daß eben dieſer Tiſchler in ſeiner
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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