Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

des entspringt, Wahrheit ist die Ueberein-
stimmung der Erkenntniß mit dem Gegen-
stande. Wenn also gefragt wird, was ist
Wahrheit? reine gediegene Wahrheit? so
kann man nicht beßer drauf antworten, als
Wahrheit ist Wahrheit. Wenn mir nicht
ein Gegenstand gegeben wird; so kann ja
auch keine Probe der Uebereinstimmung ge-
zogen werden. Eine Erklärung der Wahr-
heit in der Art zu geben, daß sie auf alle
Objekte ohn' Unterschied paßt, ist unmöglich.
Jeder hat seine Uhr, jeder seine Brille, je-
der sein Pferd -- und jeder seinen Hund,
seinen Argos, setzte Herr v. G. hinzu. Ein
allgemeines Wahrheitsmerkzeichen, wo ist es?
Eine Regel, die all' Objekte umfaßt und sie
herzt und küßt, wo ist sie? Ich muß verglei-
chen Erkenntniß und Gegenstand; wenn ich
aber keinen Gegenstand habe, wie kann ich's?
Vielleicht könnte sie, die Uebereinstimmung
der Erkenntniß mit den Gesetzen des Verstan-
des und der Vernunft heißen, und der Ir-
thum, der Widerstreit der Erkenntniß mit
den Gesetzen des Verstandes und der Ver-
nunft -- vielleicht! -- --

Die Seel' in jeder Sache, oder dasje-
nige in der Erkenntniß von ihr, was in al-

len

des entſpringt, Wahrheit iſt die Ueberein-
ſtimmung der Erkenntniß mit dem Gegen-
ſtande. Wenn alſo gefragt wird, was iſt
Wahrheit? reine gediegene Wahrheit? ſo
kann man nicht beßer drauf antworten, als
Wahrheit iſt Wahrheit. Wenn mir nicht
ein Gegenſtand gegeben wird; ſo kann ja
auch keine Probe der Uebereinſtimmung ge-
zogen werden. Eine Erklaͤrung der Wahr-
heit in der Art zu geben, daß ſie auf alle
Objekte ohn’ Unterſchied paßt, iſt unmoͤglich.
Jeder hat ſeine Uhr, jeder ſeine Brille, je-
der ſein Pferd — und jeder ſeinen Hund,
ſeinen Argos, ſetzte Herr v. G. hinzu. Ein
allgemeines Wahrheitsmerkzeichen, wo iſt es?
Eine Regel, die all’ Objekte umfaßt und ſie
herzt und kuͤßt, wo iſt ſie? Ich muß verglei-
chen Erkenntniß und Gegenſtand; wenn ich
aber keinen Gegenſtand habe, wie kann ich’s?
Vielleicht koͤnnte ſie, die Uebereinſtimmung
der Erkenntniß mit den Geſetzen des Verſtan-
des und der Vernunft heißen, und der Ir-
thum, der Widerſtreit der Erkenntniß mit
den Geſetzen des Verſtandes und der Ver-
nunft — vielleicht! — —

Die Seel’ in jeder Sache, oder dasje-
nige in der Erkenntniß von ihr, was in al-

len
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="236"/>
des ent&#x017F;pringt, Wahrheit i&#x017F;t die Ueberein-<lb/>
&#x017F;timmung der Erkenntniß mit dem Gegen-<lb/>
&#x017F;tande. Wenn al&#x017F;o gefragt wird, was i&#x017F;t<lb/>
Wahrheit? reine gediegene Wahrheit? &#x017F;o<lb/>
kann man nicht beßer drauf antworten, als<lb/>
Wahrheit i&#x017F;t Wahrheit. Wenn mir nicht<lb/>
ein Gegen&#x017F;tand gegeben wird; &#x017F;o kann ja<lb/>
auch keine Probe der Ueberein&#x017F;timmung ge-<lb/>
zogen werden. Eine Erkla&#x0364;rung der Wahr-<lb/>
heit in der Art zu geben, daß &#x017F;ie auf alle<lb/>
Objekte ohn&#x2019; Unter&#x017F;chied paßt, i&#x017F;t unmo&#x0364;glich.<lb/>
Jeder hat &#x017F;eine Uhr, jeder &#x017F;eine Brille, je-<lb/>
der &#x017F;ein Pferd &#x2014; und jeder &#x017F;einen Hund,<lb/>
&#x017F;einen Argos, &#x017F;etzte Herr v. G. hinzu. Ein<lb/>
allgemeines Wahrheitsmerkzeichen, wo i&#x017F;t es?<lb/>
Eine Regel, die all&#x2019; Objekte umfaßt und &#x017F;ie<lb/>
herzt und ku&#x0364;ßt, wo i&#x017F;t &#x017F;ie? Ich muß verglei-<lb/>
chen Erkenntniß und Gegen&#x017F;tand; wenn ich<lb/>
aber keinen Gegen&#x017F;tand habe, wie kann ich&#x2019;s?<lb/>
Vielleicht ko&#x0364;nnte &#x017F;ie, die Ueberein&#x017F;timmung<lb/>
der Erkenntniß mit den Ge&#x017F;etzen des Ver&#x017F;tan-<lb/>
des und der Vernunft heißen, und der Ir-<lb/>
thum, der Wider&#x017F;treit der Erkenntniß mit<lb/>
den Ge&#x017F;etzen des Ver&#x017F;tandes und der Ver-<lb/>
nunft &#x2014; vielleicht! &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die Seel&#x2019; in jeder Sache, oder dasje-<lb/>
nige in der Erkenntniß von ihr, was in al-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">len</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0244] des entſpringt, Wahrheit iſt die Ueberein- ſtimmung der Erkenntniß mit dem Gegen- ſtande. Wenn alſo gefragt wird, was iſt Wahrheit? reine gediegene Wahrheit? ſo kann man nicht beßer drauf antworten, als Wahrheit iſt Wahrheit. Wenn mir nicht ein Gegenſtand gegeben wird; ſo kann ja auch keine Probe der Uebereinſtimmung ge- zogen werden. Eine Erklaͤrung der Wahr- heit in der Art zu geben, daß ſie auf alle Objekte ohn’ Unterſchied paßt, iſt unmoͤglich. Jeder hat ſeine Uhr, jeder ſeine Brille, je- der ſein Pferd — und jeder ſeinen Hund, ſeinen Argos, ſetzte Herr v. G. hinzu. Ein allgemeines Wahrheitsmerkzeichen, wo iſt es? Eine Regel, die all’ Objekte umfaßt und ſie herzt und kuͤßt, wo iſt ſie? Ich muß verglei- chen Erkenntniß und Gegenſtand; wenn ich aber keinen Gegenſtand habe, wie kann ich’s? Vielleicht koͤnnte ſie, die Uebereinſtimmung der Erkenntniß mit den Geſetzen des Verſtan- des und der Vernunft heißen, und der Ir- thum, der Widerſtreit der Erkenntniß mit den Geſetzen des Verſtandes und der Ver- nunft — vielleicht! — — Die Seel’ in jeder Sache, oder dasje- nige in der Erkenntniß von ihr, was in al- len

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/244
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/244>, abgerufen am 15.10.2024.